PURPOSE VON UNTERNEHMEN

Unternehmen auf der Suche nach Ihrem Purpose
Aug 31, 2022

PURPOSE VON UNTERNEHMEN

Unternehmen auf der Suche nach ihrem Sinn und Zweck

Ein Blick in die Managementliteratur der letzten Jahre zeigt: Unternehmen sind zunehmend auf der Suche nach ihrem Purpose. Nach ihrer Existenzberechtigung, neuer Ausrichtung, Sinn und Zweck. Grundfragen lauten dabei: Warum existiert das eigene Unternehmen? Warum tun die Mitarbeiter das, was sie tun. Produzieren das, was sie produzieren? Und: Mit welchem Ziel? Das sind keine grundsätzlich neuen Fragen – sie stellen sich heute und auch auf absehbare Zukunft aber mit besonderer Wucht.

Zunächst einmal mag dies überraschen: Denn einen Purpose, einen Sinn und Zweck, haben Unternehmen seit ihrem Bestehen doch immer schon. Sei es, den Bedarf der Kunden zu befriedigen und damit Geld zu verdienen, den Profit zu maximieren, den Shareholder Value zu steigern. Oder, erst in jüngster Zeit erweitert, auch die Maximierung des Stakeholder Value (so beispielsweise in den Statements des U.S. Business Roundtable in 2019 und 2021).

Daher verwundert es auch, wenn bisweilen behauptet wird, manche Unternehmen hätten gar keinen Purpose. Oder die Frage gestellt wird, ob Unternehmen überhaupt einen Purpose brauchen. Irreführend erscheint auch, wenn im so genannten „Purpose Marketing“ so getan wird, als ob man sich als Unternehmen einfach beliebig irgendeinen Purpose auswählen und einfach so auf die Fahnen schreiben könne. Als sei ein Purpose nicht jedem Handeln bereits inhärent. Sondern diesem nur äußerlich, beliebig zu setzen und zu manipulieren. Ebenso missverständlich erscheint, wenn neuerdings von „Purpose-driven companies“ gesprochen wird. So als gäbe es auch Unternehmen, die „Non-Purpose- driven“ wären.

Ohne ein Warum und ein Wohin geht es nicht

Denn ohne die Bestimmungsmerkmale eines „Warum?“ (Motivation, Grund) und eines „Wohin / Worauf zu?“ (Richtung, Ziel) wäre wirtschaftliches Handeln gar nicht denkbar. Wäre lediglich ein sinnleeres bzw. sinnentleertes oder zufälliges Geschehen. Aber eben kein (immer zielgerichtetes) Handeln. Es geht also in den Purpose-Diskursen nicht um Purpose an sich. Sondern um einen „tieferen“ Sinn oder „höheren“ Zweck unternehmerischen Handelns. Nicht zuletzt auch um die Frage, was gesellschaftlich, wie auch unternehmensintern, als Corporate Purpose akzeptiert wird, und was nicht (mehr).

Doch woher der Sinneswandel?

Menschen wollen zunehmend wissen: Was ist der Beitrag von Unternehmen für die Gesellschaft und die Welt? Welcher höhere Zweck wird verfolgt, so dass die gemeinsame Zukunft lebenswert bleibt? Was leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung des Lebens. Und was erscheint im Gegenteil als unerwünscht und schädlich?

Thematisch spielen Klimawandel, Umweltzerstörung, Einkommens- und Verteilungsgerechtigkeit, humane Arbeitsbedingungen und weitere ökologische, soziale und ökonomische Aspekte dabei eine zentrale Rolle. Infolgedessen sind sehr viele Unternehmen in tiefgreifende Orientierungs- und Sinnkrisen geraten, in ausgewachsene Vertrauenskrisen. Stehen zudem unter erheblichem öffentlichen Rechtfertigungsdruck.

Purpose

 

Der Druck auf die Unternehmen wächst deutlich

Dieser Druck auf die Unternehmen kommt mittlerweile von sehr vielen Seiten und von großen Teilen der Öffentlichkeit. Aus der Mitte der Gesellschaft; nicht mehr nur von Randgruppen oder nur von besonders kritischen Kunden, Mitarbeitern oder Journalisten. Längst schauen sich auch große Kreditgeber, Sponsoren und Investoren (nicht zuletzt auch die großen Rentenfonds) die Tragfähigkeit, Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit der Geschäftsmodelle der Unternehmen an und erwarten neue Ausrichtungen und Perspektiven.

Kurz: Gesellschaften sind im Ganzen nicht länger bereit, dass Unternehmen große Gewinne machen, schädliche und unerwünschte Folgeeffekte und Wirkungen ihres Handelns zugleich der Gemeinschaft aufbürden. Nicht zuletzt wollen auch die eigenen Mitarbeiter und die Bewerber wissen, wofür und worauf sie hinarbeiten (verstärkt, aber nicht nur die jungen Generationen).

Bisher ist es Unternehmen kaum gelungen, in puncto veränderter Purposes überzeugende Antworten und Lösungen zu finden. Ein gewichtiges Problem dabei: Während im volkswirtschaftlichen Denken das so genannte „magische Viereck“ des Stabilitätsgesetzes von 1967 – mit seinen vier klassischen, freilich nicht konfliktfreien, Pfeilern: „Preisstabilität“, „Beschäftigungsumfang“ (Vollbeschäftigung) „Solides / angemessenes Wirtschaftswachstum“ und „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ – konzeptionell längst um Faktoren wie „Umwelt und Ressourcenschonung“, „Einkommens- und Verteilungsgerechtigkeit“ oder auch „Gute Arbeit“ erweitert und zu einem „magischen Sechseck oder Siebeneck“ ausgebaut wurde, ist es in der Logik betriebswirtschaftlichen Denkens bisher kaum gelungen, neue, höhere oder tiefere Purposes in Geschäftsmodellen, Kostenrechnungen und Strategien ausreichend abzubilden, zu verankern und messbar zu machen (es sei denn, wenn dies von außen erzwungen wird, wie beispielsweise seit 2021 mit der gesetzlichen CO2-Bepreisung, ab 2023 Lieferkettengesetz, der möglichen kommenden EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie, nachhaltigkeitsbezogenen Kennzeichnungs- und Beratungspflichten, etc.).

 

Abgehoben und hilflos?

Daher wirken manche unternehmensbezogene Purpose-Diskurse bisher nicht selten auch eher abgehoben und hilflos. Idealistisch, moralisch oder religiös verklärend und mitunter völlig überspitzt (Stichwort: „Weltrettung“). Dabei jedoch unkonkret, unverbindlich, nicht wirklich greifbar und handlungsführend. Solange Purpose dem betriebswirtschaftlichen Denken äußerlich bleibt, keine Aufnahme in neue Geschäftsmodelle, Strategien und Innovationen findet, wird dies so bleiben. Die verbreiteten Vorwürfe des Greenwashings oder Whitewashings wird man so nicht entkräften können.

Kurz: Wenn Profit und wirtschaftlicher Erfolg die Luft zum Atmen ist, ist Purpose die Seele des Unternehmens. Es braucht beides als Einheit um nachhaltig erfolgreich zu sein. Bei Purpose geht es um eine grundlegende und auch persönliche Motivation, die Menschen jenseits  rein wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit verbindet. Und dies nicht nur als Anspruch und Claim, sondern in der Unternehmensausrichtung und im konkreten Handeln und Managen.

Es ist daher auch nicht ganz abwegig, wenn der anhaltende Purpose-Diskurs und die Suche nach verändertem Purpose von manchem primär als „interner Selbstheilungsprozess“ der Unternehmen wie auch der Wirtschaft im Ganzen betrachtet wird.

 

Purpose

 

Vielfältige Zukunftsaufgaben: Purpose braucht feste Anker, passende Strategien und konkrete Meilensteine und Etappenziele

Zu den zukunftsbezogenen Aufgaben mit Blick auf eine veränderte Purpose-Orientierung von Unternehmen zählen unter anderem:

  • (Bewusste, reflektierte!) Verabschiedung vom primären oder alleinigen Ziel der Profitmaximierung oder des Shareholder Value.
    Freilich wäre es (insbesondere auch mit Blick auf den meist langfristig denkenden deutschen Mittelstand und andere ökologisch und sozial bereits stark engagierte Unternehmen), zugleich unangemessen bzw. unangebracht zu behaupten, Gewinnmaximierung und Profitgier wären für Unternehmen bisher alleinige Antriebsfeder und Ziel gewesen.
  • Damit (neuer) Purpose nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt: Definition von Zielen, die dem Anspruch nach „höheren“ Zwecken oder „tieferem“ Sinn transparent und messbar machen.
  • Überprüfung und Anpassung bisheriger Strategien mit Blick auf neu gesetzte Purposes
  • Stärkere Beteiligung von Key-Stakeholdern in strategischen Planungsprozessen des Unternehmens
  • Weiterbildung der eigenen Belegschaft mit Blick auf verschiedene und sich wandelnde Interessen unterschiedlicher Stakeholder (nur so lassen sich dann auch veränderte Strategien wirksam und konsequent umsetzen)
  • Entwicklung und Integration angemessener Modelle der Internalisierung externer Effekte und Kosten (nicht nur extern erzwungen wie bspw. bei CO2-Bepreisung)
  • Umgang mit Zielkonflikten: (Neu-)Bemessung der Wertigkeit einzelner Zielstellungen des Unternehmens sowie Leitlinien für den Umgang mit Zielkonflikten
  • Profunde Marktsegmentierung: Wie lässt sich das bestehende Produktportfolio schrittweise, konkret und sinnvoll in Richtung des angestrebten Purpose verändern und weiterentwickeln? Was kann und sollte ausgebaut werden, was reduziert werden? Welche Produktinnovationen sind mit Blick auf den angestrebten Purpose besonders chancenreich? Etc.
  • Operationalisierung und regelmäßige Messung Purpose-bezogener Kriterien. Wichtige Grundfrage dabei: Bewegen wir uns konkret und dauerhaft in Richtung des angestrebten Purpose? Diese Frage umfasst sowohl betriebswirtschaftlich fundierte Kennziffern (bspw. Ressourcenverbrauch/Ressourceneinsatz) ebenso wie wahrnehmungsbezogene Daten der relevanten kritischen Öffentlichkeit (eigene Mitarbeiter und Führungskräfte, Bewerber, Kunden, Investoren etc.).

Auf den Weg machen, statt Erwartungen zu übersteigern

Wesentlich dabei ist (auch für das Verständnis der Öffentlichkeit): Ein solcher Transformationsprozess in Richtung einer so genannten „Purpose Economy“ kann, insbesondere größeren Unternehmen, nicht von heute auf morgen gelingen. Zugleich: Es gilt, sich auf den Weg zu machen – konkret und nachprüfbar. Realistisch erreichbare Meilensteine, Zwischenschritte und Teilziele zu definieren und den diesbezüglichen Fortschritt zu überwachen. Nicht nur darum, Langfrist-Ziele zu setzen ohne den Weg dahin planvoll, nachvollziehbar und transparent zu bestimmen.

 

Marktforschung und Organisationsforschung als Wegbegleiter

Entsprechende Marktforschung kann diesen Weg substantiell unterstützen. Konzeptionell und messend, differenziert mit Blick auf verschiedene Stakeholder (bspw. Kunden, potenzielle Kunden, Mitarbeiter, Bewerber, Öffentlichkeit), Marktsegmente, Innovationspotenziale sowie Zielkriterien (Indexbildungen etc.).

Dies wirkt nicht zuletzt auch dem (begründeten wie unbegründeten) Vorurteil entgegen, Unternehmen ginge es nur darum, einfach so weiterzumachen wie bisher und sich bestmöglich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen (was freilich kein längerfristig tragfähiges Modell ist).

Ziele, die nur zeitliche wie inhaltliche Fernziele (2040, 2050 etc.) fokussieren, werden allein hingegen keine Überzeugungskraft und keine neue Ausrichtung begründen können (zumal bisher oft völlig unklar und im Dunkeln bleibt wie der Weg dahin aussehen soll). Purpose meint zwar mehr als nur ein (kurzfristig, vollständig, immer) erreichbares Ziel. Dennoch darf dieses nicht beliebig, künstlich oder unerreichbar erscheinen.
Eine wichtige und seriös zu beantwortende Grundfrage lautet daher: Bewegen wir uns in Richtung des angestrebten und beanspruchten Purpose? Befinden wir uns auf dem richtigen Weg? Was haben wir – vom jeweiligen Startpunkt aus betrachtet – bisher erreicht und was nehmen wir uns als nächste Schritte vor? Ansonsten zerfallen Anspruch und Handeln von  Unternehmen.

 

Gesunde Skepsis bleibt angebracht

Daher muss mit Blick auf die Purpose-Diskurse im Management auch gesagt werden: Soll (neuer, höherer, tieferer) Purpose mehr als Schönfärberei, Greenwashing, Blendwerk oder Lückenfüller in einer verbreiteten Sinnleere sein, muss mehr Ernsthaftigkeit, Konkretheit und Weitblick Einzug halten. Auch in puncto „Purpose“ ist daher – wie bei allen Managementmoden – gesunde Skepsis angebracht. Manager haben jahrelang (wenn nicht jahrzehntelang) zu Mission Statements geworkshopped, über Unternehmensvisionen gegrübelt, die Unternehmenswerte herausgekitzelt. Doch mit welcher Wirkung?

Nun werden die Manager gefragt, den Corporate Purpose zu finden und zu berücksichtigen. Auch wenn evident erscheint, dass Unternehmen mit einem klaren, nachvollziehbaren und nachprüfbarem Purpose besser performen als solche mit allenfalls schwammigen Haltungen, unterschägt man gerne: Neue Purpose-Orientierung ist mit harter Arbeit verbunden. Verlangt  Investitionen und Innovationen. Bedeutet an mancher Stelle auch schmerzlichen Verzicht. Erfordert eine große Portion Ausdauer, Mühe und an mancher Stelle auch echten Mut.

Unternehmens Purpose

 

Wie sieht es mit dem Purpose im eigenen Unternehmen aus?

Um dem gerne geübten Blick und Verweis auf Andere vorzubeugen, fragen Sie sich selbst auch einmal:

Haben Sie eine klare Vorstellung vom Purpose Ihres Unternehmens? Wie und auf welchen Ebenen und welchen Wegen wird dieser vermittelt? In welcher Weise bestimmt das Thema „Purpose“ die Diskussion in Ihrem Unternehmen? Wo macht sich dies konkret bemerkbar? Haben Sie den Eindruck, dass das Thema Purpose bisher nur eine bloße Marketing-Sache (gegenüber Kunden, im Recruiting von Bewerbern, im Produktmarketing etc.) ist oder das Unternehmen im Ganzen bewegt? Wie werden verschiedene Mitarbeitergruppen und externe Stakeholder dabei einbezogen? Welche Strategien wurden mit Blick auf neu definierten Purpose verändert, angepasst oder neu entwickelt?
Denken Sie, Ihr Unternehmen befindet sich in puncto Purpose auf einem seriösen, glaubwürdigen und dem richtigen Weg? Erfolgt die Suche nach (neuem, tieferem, höherem) Purpose allein aus Rechtfertigungsdruck heraus oder handelt es sich um eine echte, ernstgemeinte, aktive und eigenständige Suche? Welche Wettbewerbsvorteile und welche Nachteile sieht man darin? Für welche Überzeugungen würde Ihr Unternehmen aus tiefer persönlicher Überzeugung einstehen, aufstehen und kämpfen? Was wurde bisher unternommen Purpose nicht nur zu definieren oder zu beanspruchen, sondern aus dem eigenen Handeln heraus abzuleiten und messbar zu machen?

 

Auf dem Weg zu neuem Purpose                                                       

Fest steht in puncto Purpose: Reine Rhetorik ersetzt kein Handeln. Im Gegenteil: Unternehmerisch angestrebter (neuer/veränderter) Purpose lässt sich erst aus dem Handeln heraus begründen, festigen und glaubhaft vermitteln. Erst dann ergibt das Ringen um den Corporate Purpose selbst einen tieferen Sinn. Und eine Aussicht auf unternehmensinterne Veränderung, Entwicklung, Lösungen. Und letztlich auch Chance auf mögliche „Heilung“.

Darin liegen für Unternehmen große Chancen, zugleich aber auch Scheiterungspotenziale.

Vergessen sollte man auch nicht: Eine veränderte Purpose-Orientierung von Unternehmen (im Sinne ihrer Ausrichtung auf einen tieferen Sinn und höheren Zweck) ersetzt nicht gute Führung und auch keine gute Organisation. Um den Unternehmenserfolg auf nachhaltig tragfähige und zukunftsfähige Grundlagen zu stellen, muss dies Hand in Hand gehen. Bloße „Quartalsblicke“, kurz gesprungener Aktionismus oder Washings reichen als Lösung nicht mehr aus. Können im Gegenteil schnell zum Bumerang werden, zusätzliche bedrohliche Krisen auslösen.

Die einzig echte Alternative lautet: Sich auf den Weg machen. Konkret handeln. Und gegenüber denen, die hier zaudern und zögern – und immer noch meinen, der Wind und bisweilen auch Sturm und die Wucht der notwendigen Veränderungen ginge spurlos an ihnen vorbei – einen substanziellen Vorsprung zu erzielen.

 

Kontakt aufnehmen

Interessiert am weiteren Austausch zu unternehmensbezogenen und organisationalen Purpose-Kontexten und diesbezüglicher Markt- und Organisationsforschung (u.a. purposerelevanten Marktsegmentierungen, Stakeholder-Befragungen, Indexierungen und Monitorings? Sprechen Sie uns gerne darauf an: HEUTE UND MORGEN – Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005-12. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

Weitere Blogbeiträge zu zukunftsrelevanten Themen, speziell auch zur Organisationsentwicklung, Marktforschung oder zum Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen insgesamt, finden Sie regelmäßig auch auf der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.

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