Warum Unternehmen mehr als Benefits und Obstkörbe bieten müssen, um die richtigen Talente zu gewinnen – und wie Marktforschung dabei hilft, Recruiting-Strategien nachhaltig zu verbessern.
Sucht man als Unternehmen nach erfolgreichen Strategien für das Recruiting von Nachwuchskräften, dann taucht mit besonderer Vorliebe der Begriff „Work-Life-Balance“ auf.
Dies spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung wider, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen heute anders gewichtete Vorstellungen vom Verhältnis von Arbeit und Privatleben entwickelt haben. Dies mag in „Generation Z“ gehäuft der Fall sein. Zugleich wäre es eine fragwürdige und einseitige Unterstellung, gesamtgesellschaftliche Veränderungen ausschließlich dieser Alterskohorte zuzuschreiben.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher rät, dass wir (gemeint sind die Älteren) uns alle eine Scheibe von der Generation Z abschneiden sollten. Übergreifend wird gefordert, dass die Arbeitswelt mehr auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten eingeht und ihre Wünsche nach Arbeitszeit, Arbeitsort und Verantwortung stärker beachtet. Und diejenigen Menschen, die weniger arbeiten wollen, sollten dann auch weniger arbeiten (unerheblich ob nun jünger oder älter). Aufgrund einer steigenden Zahl an Krankheitstagen und Erwerbsunfähigkeiten sei dies auch ökonomisch sinnvoll. Wer würde hier grundsätzlich widersprechen wollen?
Insbesondere – aber nicht nur – die Generation Z hat auf dem in vielen Branchen bereits leer gefegten Arbeitsmarkt eine große Verhandlungsmacht. Davon machen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entsprechend rege und selbstbewusst Gebrauch, indem sie neue Vorstellungen von Arbeit vielerorts durchsetzen. Prinzipiell ist das auch ihr gutes Recht, egal ob dies von anderen begrüßt oder kritisch betrachtet wird.
Spannender erscheint im Weiteren daher die Betrachtung der unternehmerischen Seite.
Denn hier hat die Fokussierung auf Work-Life-Balance im Recruiting und in der Personalpolitik zu vielerlei fragwürdigen Vereinseitigungen, Übertreibungen und Überbietungswettbewerben geführt. Work-Life-Balance-Vorteile werden als Hauptverkaufsargumente in einer Weise in den Mittelpunkt gerückt, dass bisweilen der Eindruck einer „Arbeitswelt ohne Arbeit“ entsteht bzw. vorgegaukelt wird.
Provokativ formuliert: Obstkörbe (als symbolischer Ausdruck von Frische, Gesundheit, nicht zuletzt aber auch mütterlichem Versorgt-werden bei der Arbeit), Relax-Zones und mancherlei „Benefit-Klimbim“, erscheinen plötzlich als die entscheidenden Stellschrauben im Recruiting. Seit vielen Jahren ist hierzu eine ganze Work-Life-Balance-Industrie entstanden, die regelmäßig neue Ideen und Nachschub liefert.
Die eigentliche Arbeit – mit ihren Inhalten, Leistungsanforderungen, Karrierechancen, Partizipations- und Verwirklichungsmöglichkeiten etc. – ist quasi zur Nebensache geworden. „Arbeit = einfach wohlfühlen und Fun haben“ – so die Vermarktungsdevise.
Ob man sich selbst, und zugleich auch den Bewerbern und Bewerberinnen, mit derartigen Vereinseitigungen und Übertreibungen sowie aus Unternehmensperspektive mit dem Einnehmen einer passiven und gewissermaßen auch willfährigen Rolle einen Gefallen tut bzw. getan hat, kann zumindest in Frage gestellt werden.
Doch der Wind scheint in vielen Branchen aufgrund der schwachen Konjunktur und übergreifender struktureller Schwächen der deutschen Wirtschaft zu drehen.
Was bedeutet das?
Einerseits: Maßlos sollte die Generation Z (aber auch die Bewerber und Bewerberinnen anderer Altersgruppen) in ihren Erwartungen und Forderungen nicht werden. Arbeitsplatzgarantien und eine einfache Fortschreibung der Bedingungen satter Jahre, gibt es auch für sie nicht.
Deutlich wichtiger erscheint es aber, in den Unternehmen selbst zu reflektieren, wie man sich zukünftig im Recruiting junger Menschen ausrichten möchte – auch beim nachfolgenden Onboarding und in der Mitarbeiterführung insgesamt.
Und zwar ausdrücklich nicht, um auf reaktionäre Weise zwischenzeitlich verloren gegangene Verhandlungsmacht auf dem Arbeitsmarkt zurückzugewinnen, oder grundlegende Veränderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt zurückdrehen zu wollen.
Sondern um wieder zu mehr Ausgewogenheit und Realitätssinn in der Ansprache und Auswahl junger (wie auch älterer) Menschen für das eigene Unternehmen zu finden. Kurz: Work-Life-Balance ist aus vielerlei Gründen wichtig, aber in der Arbeitswelt auch nicht alles.
Leistungsbereitschaft und Innovation als Schlüssel der wirtschaftlichen Zukunft
Ohne mehr Anstrengung, Innovationskraft und unternehmerischen Ehrgeiz wird es für die deutsche Wirtschaft insgesamt – ebenso wie für einzelne Unternehmen – kaum möglich sein, die aktuelle Stagnation zu überwinden oder drohende Krisen in einzelnen Branchen abzuwenden.
Nicht jeder Mensch muss gleichermaßen leistungsbereit sein oder Verantwortung übernehmen wollen. Doch Unternehmen sind dringend auch auf diejenigen angewiesen, die bereit sind, mehr zu leisten – und diese müssen gezielt gefördert und wertgeschätzt werden. Andernfalls fehlt es an den entscheidenden Kräften, die Transformation und Wachstum vorantreiben.
Deshalb sollten Unternehmen kritisch hinterfragen, ob eine einseitige Fokussierung auf Work-Life-Balance möglicherweise:
- unrealistische Erwartungen bei Bewerbern und Bewerberinnen schürt oder ein Arbeitsverständnis befeuert, das Leistung als Nebensache erscheinen lässt.
- die „falschen“ Talente anzieht – nämlich primär Bewerber und Bewerberinnen, die Unternehmen vor allem anhand von Work-Life-Balance-Vorteilen auswählen.
- Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Führungskräften verursacht, die Verantwortung übernehmen und oft weniger flexible Arbeitszeiten in Kauf nehmen müssen.
- ungewollt das Image eines „leistungsarmen“, „wenig ambitionierten“ Unternehmens kreiert, das nicht für Exzellenz und Wachstum steht.
- den Fokus auf Leistung, Produktivität und Ergebnisse verwässert und dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verliert.
- die Chance verpasst, ein wirklich ausgewogenes und ganzheitliches Employer Branding zu etablieren – eines, das sowohl attraktive Rahmenbedingungen als auch ambitionierte Karriereperspektiven bietet.
Recruiting: Die Kunst der Balance zwischen Unternehmenszielen und individuellen Erwartungen
Erfolgreiches Recruiting ist kein reiner Auswahlprozess, sondern ein bewusstes Gestalten und Vermitteln. Es geht darum, das eigene Unternehmen klar zu reflektieren: Wer sind wir? Wohin wollen wir? Und welche Menschen passen auf diesem Weg zu uns – und welche nicht? Gleichzeitig braucht es eine realistische Einschätzung, was man als Arbeitgeber anbieten kann und sollte – und was nicht.
Dies bedeutet im Umkehrschluss natürlich nicht, das Thema Work-Life-Balance auszublenden oder damit verbundene Bewerberansprüche vorwurfsvoll in Frage zu stellen.
Es geht vielmehr um die Anerkennung und Akzeptanz der Unterschiede und auch der Veränderung von Menschen, was ihre persönlichen Haltungen, Erwartungen, Forderungen, Wünsche und Bereitschaften mit Blick auf die Arbeitswelt angeht – zumal sich diese in verschiedenen Lebensphasen auch wandeln können. Es geht um eine Gestaltung, die nicht alle gleichermaßen über einen Kamm schert.
Konkret: Besonders leistungswillige Menschen und High-Performer müssen ohne Widerspruch mit weniger leistungsbereiten Menschen und Normal-Performern integriert werden. Es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Dies kulturell im Unternehmen wirklich gut und widerspruchsfrei zu integrieren – und nicht ein pauschal für alle gültiges „Mittelmaß“ anzustreben – stellt eine Herausforderung dar, keinen Spaziergang.
Machtkämpfe oder übermäßige Anpassung auf dem Arbeitsmarkt – egal von welcher Seite – führen langfristig nur zu Frustration. Sie verursachen wechselseitige Enttäuschung, steigende Fluktuation und letztlich auch höhere Krankenstände.
Ebenso wenig hilfreich erscheinen pauschale Urteile über ganze Generationen. Die Annahme, dass die Generation Z grundsätzlich weniger leistungsbereit oder belastbar sei, ist genauso undifferenziert wie die Behauptung, ältere Generationen hätten es sich bequem gemacht und würden Veränderungen blockieren. Es gibt in jeder Altersgruppe eine hohe Varianz an Arbeitseinstellungen. Die Realität ist vielschichtiger und genau das sollten Unternehmen in ihren Personalstrategien berücksichtigen.
Erfolgreiches Recruiting von Nachwuchskräften: Worauf es wirklich ankommt
Um Nachwuchskräfte gezielt, nachhaltig und erfolgreich zu gewinnen, braucht es mehr als oberflächliches Employer Branding oder eindimensionale Recruiting-Strategien. Entscheidend ist eine ehrliche, differenzierte und zielgruppenorientierte Herangehensweise. Das bedeutet:
- Junge Bewerber und Bewerberinnen ernst nehmen und ihnen auf Augenhöhe begegnen
- Vorurteile und Generalisierungen vermeiden – stattdessen offen und wertschätzend kommunizieren.
- Kein einseitiges Entgegenkommen oder Selbstüberschätzung seitens des Unternehmens – es geht um echten Austausch.
- Klarheit und Transparenz in der Kommunikation
- Erwartungsmanagement: Welche Bewerberanforderungen können realistisch erfüllt werden – und welche nicht?
- Ein authentisches Bild der Arbeitsrealität vermitteln, statt rosarote Recruiting-Floskeln zu benutzen.
- Den richtigen Fokus setzen: Kein überzogenes Work-Life-Balance-Marketing
- Work-Life-Balance ist wichtig – aber längst nicht das einzige Argument, um junge Talente zu gewinnen.
- Verschiedene Bewerbertypen gezielt ansprechen, statt einseitig auf vermeintlich „hippe“ Benefits zu setzen.
- Stellenanzeigen gezielt und differenziert formulieren
- Je nach Position und Anforderungsprofil unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
- Leistungsorientierte junge Talente gezielt ansprechen, ohne von allen Bewerberinnen und Bewerbern dasselbe zu erwarten.
- Akzeptieren, dass Menschen unterschiedliche Einstellungen zur Arbeit haben
- Nicht alle streben nach maximaler Verantwortung oder Karriere – das ist in Ordnung.
- Gleichzeitig brauchen ambitionierte Talente klare Entwicklungsperspektiven, damit sie sich langfristig binden.
- Die Stärken des eigenen Unternehmens präzise und ganzheitlich kommunizieren
- Was macht den Arbeitgeber im Vergleich zu anderen wirklich besonders?
- Keine Standardversprechen geben, sondern konkrete Vorteile und Karriereperspektiven herausarbeiten.
- Gezielt gute Kompromisse finden – aber keine Notlösungen eingehen
- Auch unter Personalmangeldruck nicht die eigenen Anforderungen komplett aufweichen.
- Maximalforderungen reflektieren, sinnvolle Kompromisse eingehen – aber keine Entscheidungen mit echten „Bauchschmerzen“ treffen.
Kurz: Einseitige Recruiting-Strategien – egal in welche Richtung – werden langfristig zum Problem. Pauschale Rezepte gibt es nicht. Wer nachhaltigen Erfolg im Recruiting will, muss gezielt, reflektiert und strategisch vorgehen – mit passgenauen Lösungen für die eigene Unternehmenskultur und in spezifischen Umfeldern.
Recruiting & Employer Branding: Wie Marktforschung gezielt unterstützen kann
Die Gewinnung und Bindung der richtigen Talente ist eine Herausforderung, die mit pauschalen Ansätzen kaum zu meistern ist. Welche Erwartungen haben unterschiedliche Bewerbergruppen wirklich? Wie lassen sich gezielt die passenden Talente ansprechen, ohne falsche Versprechungen zu machen? Und wie kann eine Arbeitgebermarke authentisch und differenziert positioniert werden?
Hier kann Marktforschung wertvolle Antworten liefern – auf Basis fundierter Daten statt vager Annahmen. Statt nur auf Trends oder Einzelmeinungen zu reagieren, ermöglichen differenzierte Analysen eine gezielte und nachhaltige Weiterentwicklung von Recruiting-Strategien und Employer Branding.
- Welche Faktoren machen eine Stellenanzeige tatsächlich attraktiv?
- Tests von Formulierungen, Benefits und Karriereversprechen helfen zu verstehen, welche Aspekte unterschiedliche Bewerbergruppen wirklich ansprechen – und welche möglicherweise sogar abschrecken.
- Welche Erwartungen und Motivationen haben verschiedene Bewerbertypen?
- Segmentierungsstudien zeigen, wie sich Bewerber und Bewerberinnen in ihren Ansprüchen unterscheiden: Welche Rolle spielen Gehalt, Entwicklungsmöglichkeiten, Unternehmenskultur oder Work-Life-Balance für verschiedene Gruppen?
- Wie werden Arbeitgeber wahrgenommen – und wo liegen blinde Flecken?
- Authentizitäts-Checks durch interne und externe Befragungen helfen zu erkennen, wo sich Selbstbild und Fremdbild eines Arbeitgebers unterscheiden – und wo gezielt angesetzt werden kann, um eine stimmige Arbeitgebermarke zu entwickeln.
- Wie grenzt sich ein Arbeitgeber im Wettbewerb um Talente erfolgreich ab?
- Vergleichende Wettbewerbsanalysen ermöglichen es, Stärken gezielt herauszustellen und sich nicht nur über die gängigen Benefits zu positionieren, die überall zu finden sind.
- Welche Recruiting-Kanäle sind wirklich effektiv?
- Durch kanalspezifische Analysen kann ermittelt werden, über welche Plattformen und Formate sich welche Bewerbergruppen am besten erreichen lassen – sei es über klassische Jobportale, Social Media oder alternative Recruiting-Wege.
- Wie verändert sich die Arbeitsmotivation über den Karriereverlauf?
- Langfristige Studien können helfen zu verstehen, wie sich Erwartungen an die Arbeit über verschiedene Lebensphasen hinweg verändern – und wie darauf mit flexiblen Angeboten reagiert werden kann.
- Welche neuen Ansätze gibt es, um High-Performer gezielt anzusprechen?
- Nicht jeder High-Performer ist gleich. Unterschiedliche Leistungstypen werden durch verschiedene Motive angetrieben – sei es der Wunsch nach Anerkennung, die Freude an Wettbewerb oder der Drang nach persönlicher Weiterentwicklung. Mit motivbasierten Analysen lassen sich Stellenausschreibungen, Recruiting-Strategien und Employer-Branding-Maßnahmen gezielt auf die Bedürfnisse der leistungsstärksten Talente zuschneiden.
Darüber hinaus bieten sich weitere spannende Ansätze an, um vorhandene Recruiting- und Employer-Branding-Strategien gezielt zu optimieren.
- So könnte anonymes Bewerber-Feedback direkt nach dem Recruiting-Prozess wertvolle Einblicke liefern: Was hat überzeugt, was möglicherweise abgeschreckt? Eine kontinuierliche Analyse dieser Rückmeldungen ermöglicht es, Prozesse gezielt zu verbessern.
- Auch die Messung der kulturellen Passung kann differenzierter gestaltet werden – anstatt ausschließlich auf den „Cultural Fit“ zu setzen, lässt sich mit Marktforschung ermitteln, wie unterschiedliche Persönlichkeiten produktiv zusammenarbeiten und Vielfalt als Stärke genutzt werden kann.
- Gleichzeitig lohnt sich der Blick von außen: Social Listening und Bewerber-Interviews geben Aufschluss darüber, wie die Arbeitgebermarke tatsächlich wahrgenommen wird – nicht nur durch aktuelle Mitarbeitende, sondern auch durch diejenigen, die sich bewerben.
- Und schließlich spielen nicht nur rationale Faktoren wie Gehalt oder Benefits eine Rolle, sondern auch unbewusste emotionale Assoziationen. Durch implizite Testverfahren kann analysiert werden, welche tiefenpsychologischen Aspekte eine Arbeitgebermarke stärken oder schwächen – und so gezielt daran gearbeitet werden, ihre Attraktivität nachhaltig zu erhöhen.
Fazit
Die Zeiten, in denen Recruiting nur auf Trends, Bauchgefühl und Standardprozesse gesetzt hat, sind vorbei. Wer die passenden Talente finden und langfristig binden will, braucht differenzierte Einblicke, fundierte Analysen und innovative Ansätze. Marktforschung bietet hier zahlreiche Möglichkeiten, um Recruiting- und Employer-Branding-Strategien nicht nur effektiver, sondern auch nachhaltiger zu gestalten.
Kontakt aufnehmen und austauschen
Interessiert am weiteren Austausch zum Thema Recruiting und Employer-Branding und damit verbundenen unternehmensspezifischen Herausforderungen und Strategien? Dann sprechen Sie uns gerne an: Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005 12. Wir freuen uns auf einen vertiefenden Austausch mit Ihnen!
Weitere Blogbeiträge zu zukunftsrelevanten und innovativen Themen zum Thema Organisationsentwicklung finden Sie regelmäßig in der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.
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