Von Strom über Reisen bis hin zu Versicherungen: Preisvergleichsportale wie Check24, Verivox und weitere haben sich als feste Größe im digitalen Alltag der Deutschen etabliert.
Für viele Konsumenten sind diese im Rahmen ihrer Customer Journey zu einer zentralen Anlaufstelle geworden – für einen ersten Überblick über Produkte und Anbieter, bei ihrer Entscheidungsfindung und manchmal auch für den finalen Kaufabschluss.
Doch wie genau funktionieren diese Plattformen eigentlich im Alltag der Menschen? Welchen Stellenwert und Einfluss haben diese? Wofür werden sie genutzt? Wird ihnen vertraut? Wo liegen Herausforderungen und blinde Flecken? Und was lässt sich daraus für Anbieter, Betreiber und Marktforschende für die Zukunft ableiten?
Solchen und weiteren Fragen ist HEUTE UND MORGEN in einer aktuellen Studie nachgegangen. Hier ein Blick auf einige interessante Ergebnisse – und darüber hinaus:
Beispiel Check24: Für viele „nur“ der Startpunkt
Über 80 Prozent der Deutschen haben Check24 bereits genutzt. Die Plattform verspricht Übersichtlichkeit, Schnelligkeit und einfache Entscheidungsprozesse. Gerade bei Produkten mit klar vergleichbaren Leistungen – wie etwa einem Girokonto, einem einfachen SIM only Tarif oder einem Öko-Stromtarif – erfüllt sie diese Versprechen aus Verbrauchersicht gut.
Für jeder Zweite hat Check24 schon einmal zur Information oder zum Abschluss einer Versicherung genutzt. Besonders häufig kommt das Portal bei Kfz-, Haftpflicht- und Hausratversicherungen zum Einsatz – also bei Produkten, die vergleichsweise gut standardisierbar und preislich transparent sind.
Interessant ist: Die meisten Nutzer verstehen Check24 hierbei nicht als „Rundum-Beratungsportal“, sondern eher als Einstiegshilfe zur ersten Orientierung. Sie beginnen ihre Customer Journey auf der Plattform, um sich zu orientieren. Nur rund ein Viertel begleitet Check24 dann durch den gesamten Entscheidungsprozess – und dies meist auch nicht ohne den Einsatz zusätzlicher, ergänzender Quellen.
Spätestens bei komplexeren Versicherungsprodukten, etwa der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU), stoßen die Möglichkeiten der Plattform jedoch an deutliche Grenzen. Informationsüberflutung, Unsicherheit und der Wunsch nach individueller Beratung treten im Verbrauchererleben häufig an die Stelle anfänglicher Vergleichseuphorie.
Vergleichsportale können als Türöffner verstanden werden – nicht als komplette Beratungsinstanz
Check24 ist somit weder bloß ein „digitaler Makler“ noch eine neutrale Marktarena – sondern ein prägender Touchpoint im Entscheidungsprozess.
Anbieter sollten daher lernen, die Spielregeln der Plattform nicht nur mitzuspielen, sondern mitzugestalten. Dies kann im Einzelnen bedeuten:
- Angebote „vergleichsfreundlich“ machen: Klare, verständliche Produktvorteile, starke Tarifnoten, attraktive Eyecatcher.
- Zielgruppen differenziert ansprechen: Mit digitalaffinen Schnellentscheider anders kommunizieren als mit sicherheitsorientierten Rechercheuren. e.
- Persönliche Beratung und digitale Information verbinden: Gerade für beratungsintensive Produkte braucht es überzeugende Brücken zwischen Plattform und persönlichem Kontakt.
Gleich ob Energie, Telekommunikation oder Banking – die Nutzer suchen auf Vergleichsportalen nicht nur Preise, sondern auch Orientierung, Vertrauen und Bestätigung. Insgesamt zeigt sich: Wer dort sichtbar ist, gewinnt Aufmerksamkeit – aber noch nicht zwingend Abschlüsse.
Gleichzeitig wird deutlich: Vergleichsportale sind kein Selbstzweck. Sie sind Teil einer fragmentierten Customer Journey, in der Vertrauen, Marke, Leistung und Preis permanent neu gewichtet werden. Anbieter tun daher gut daran, Portale nicht nur als Vertriebskanal zu begreifen, sondern als einen von mehreren Entscheidungsräumen, in denen Kunden sich bewegen und navigieren.
Zwischen Empowerment und Illusion: Was Vergleichsportale leisten können – und was nicht
Das Selbstverständnis vieler Vergleichsportale ist klar: Sie wollen Transparenz schaffen, Orientierung geben und „den besten Deal“ liefern. Und ja: Für viele Nutzer stellen Preisvergleiche, intuitive Bedienung und Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit echte Mehrwerte dar.
Doch zugleich wächst unter Verbrauchern das Bewusstsein dafür, dass Vergleichsportale keine unabhängigen, neutralen Informationsquellen sind. Dass Rankings beeinflusst werden können, nicht alle Anbieter gelistet sind, dass persönliche Daten möglicherweise weitergegeben werden. Und: Dass der „beste Tarif“ nicht immer auch der individuell passendste und vorteilhafteste ist.
Einerseits genießen Portale wie Check24 unter den Nutzern einen guten Ruf – insbesondere was Transparenz, Vertrauenswürdigkeit und einfache Bedienung betrifft. Für 75 Prozent der Nutzer haben die dort präsentierten Informationen einen starken bis sehr starken Einfluss auf ihre Entscheidungsfindung.
Andererseits gibt es aber auch kritische Einschätzungen: Begrenzte Anbieterwahl, vermutete Intransparenz bei Empfehlungen sowie Datenschutzbedenken dämpfen das Vertrauen bei einem Teil der Kundschaft. Verbunden mit der elementaren Frage, inwieweit man den angezeigten Empfehlungen wirklich vertrauen kann.
Kurz: Vergleichsportale schaffen Sichtbarkeit – aber nicht automatisch Klarheit oder Vertrauen.
Branchenübergreifender Blick: Vergleich ist nicht gleich Vergleich
Die Mechanismen, die im Versicherungsbereich greifen, lassen sich auf viele andere Branchen übertragen. Energie, Reisen, Telekommunikation, Kredite, Konsumgüter. Überall dort, wo die Auswahl groß ist, die Preise volatil sind, und zunehmend auch da wo Produkte komplexer sind, versprechen Vergleichsportale Vereinfachung. Doch Simplifizierung ist nicht gleich Wahrheit.
Ein algorithmisch erzeugter Angebotsvergleich kann nie vollständig abbilden, was in der Lebensrealität einzelner Menschen zählt: Emotionale Präferenzen, spezifische Lebenslagen, langfristige Folgen einer Entscheidung. Was bei einer Stromanbieterwahl noch einfach funktioniert, kann bei der Auswahl einer Altersvorsorge oder BU-Versicherung zu groben Fehleinschätzungen führen.
Viele wichtige und auch grundsätzliche Fragen stellen sich in diesem Kontext:
- Was macht einen „fairen Vergleich“ eigentlich aus? Ist es nur der Preis? Oder die Leistung? Die Marke? Die Nachhaltigkeit? Und: Wer entscheidet das?
- Was macht ein Vergleichsportal wirklich „neutral“ – und wie transparent ist die Empfehlungsmatrix? Wie lassen sich komplexe Produkte so aufbereiten, dass sie nicht überfordern, sondern ermächtigen? Welche Rolle spielt Vertrauen in Zeiten algorithmischer Vorauswahl?
- Wie „neutral“ kann und darf ein Vergleichsportal überhaupt sein, wenn sein Geschäftsmodell auf bezahlter Sichtbarkeit oder auch Abschlussprovisionen beruht?
- Wie wirken Empfehlungen, verwendete Symbole oder Rankings auf das Entscheidungsverhalten – und wie manipulationsanfällig sind wir dabei?
- Wie kann man komplexe Produkte so aufbereiten, dass Nutzer nicht überfordert werden, sondern sich sicher(er) fühlen?
- Welche Rolle spielen Vergleichsportale im Aufbau oder im Verlust von Vertrauen – gegenüber Marken, Branchen oder digitalen Informationen allgemein?
- Wie verändert sich die Rolle von Beratung, wenn Portale wie Check24 zur Standardquelle für erste Informationen werden?
- Welche sozialen Schieflagen entstehen, wenn nur digitalaffine, preissensitive Menschen davon profitieren – andere diesen Zugang aber nicht haben oder auf den Portalen den Überblick verlieren?
Für Marktforschende, für Anbieter und die Portalbetreiber bleiben dies zentrale Zukunftsfragen.
Klar ist derweil nur: Vergleichsportale sind gekommen, um zu bleiben – ihr tatsächlicher Nutzen hängt aber entscheidend davon ab, wie diese eingebettet sind in das Gesamtbild von Information, Beratung, Entscheidungsfindung und Selbstbestimmung.
Und jetzt? Ein Plädoyer für differenzierte Perspektiven
Vergleichsportale sind ein Werkzeug. Wie jedes Werkzeug können diese hilfreich sein oder Schaden anrichten – je nachdem, wie diese gestaltet und genutzt werden – oder eben missverstanden und missbraucht werden.
Vergleichsportale brauchen kluge Nutzer. Und zugleich Betreiber und Anbieter ohne Irreführungs- und Manipulationsabsichten. Ihre Versprechen sollten realistisch einlösbar sein. Dies gilt gleichermaßen natürlich für andere Vermittlungskanäle (Anbieterwebsites, Kundenberater, Verkäufer etc.).
Für Anbieter bedeutet das: Präsenz auf Vergleichsplattformen ist wichtig, aber nicht alles.
Wer langfristig Vertrauen aufbauen will, sollte auch außerhalb großer Plattformen kommunizieren – mit klaren Markenversprechen, verständlicher Sprache, echten Mehrwerten und einem offenen Ohr für die Bedürfnisse und auch die Unsicherheiten der Kunden.
Klassische Formen der Ansprache und des Vertriebs sollten zudem nicht vernachlässigt werden. Noch so ausgefeilte Tech-Strategien oder sprachfähige KI-Modelle können personen- und dialoggebundene Beziehungsformen, und eine darauf fußende Vertrauensbildung, gleich- und vollwertig ersetzen. Orientierung, Vereinfachung und Effizienz sind wichtige Größen im modernen und komplexen Verbraucheralltag – am Ende entscheiden aber Vertrauen, individuelle Bedarfspassung und Zufriedenheit über stabile und längerfristige Kundenbeziehungen.
Für die Forschung bedeutet das Gesagte: Wir müssen (noch) tiefer graben. Nicht nur das reine Nutzerverhalten beobachten und beschreiben, sondern auch die Bedeutung und die Motivation dieses Verhaltens verstehen – gerade in einer zunehmend algorithmisch gesteuerten Welt.
Für die Gesellschaft gilt: Wir brauchen (noch mehr) Medien- und Vergleichskompetenz.
Der günstigste Tarif ist nicht immer der beste – und eine gute Entscheidung beginnt oft nicht mit dem schnellsten Klick. Das kurzfristig vermeintlich beste Angebot hält nicht jeder genaueren Prüfung stand.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen als Verbraucher nachhaltig gute und überlegte Entscheidungen.
Anbieterunternehmen, Portalbetreibern und Forschenden zugleich einen noch differenzierten Blick auf die Bedarfe, Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche der Kunden.
Kontakt aufnehmen und austauschen
Interessiert am weiteren Austausch zum Thema Preisvergleichsportale, zur aktuellen Vergleichsportal-Studie von HEUTE UND MORGEN oder zu individuellen Forschungsprojekten zur Customer Journey?
Dann sprechen Sie uns gerne an: Dr. Michaela Brocke – michaela.brocke@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005 11. Wir freuen uns auf ein vertiefendes Gespräch mit Ihnen!
Weitere Blogbeiträge zu zukunftsrelevanten und innovativen Themen der Marktforschung und der Organisationsentwicklung finden Sie regelmäßig in der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.
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