«Man braucht 20 Jahre, um sich einen Ruf zu erarbeiten, aber es braucht nur 5 Minuten, um ihn zu ruinieren. Wenn man das im Kopf behält, geht man einige Dinge anders an.» (Warren Buffet)
Künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert auch Marketingprozesse: Ob für Trendanalysen, Kundeninteraktionen oder personalisierte Kampagnen – Unternehmen setzen zunehmend auf automatisierte Systeme, um Effizienz, Reichweite und Zielgenauigkeit von Marketingmaßnahmen zu steigern.
Doch mit dem technologischen Fortschritt verändert sich auch die Art und Weise, wie Marken ihre Botschaften erzeugen und kommunizieren. Je mehr Unternehmen auf ähnliche KI-Modelle, Datenquellen und Algorithmen zurückgreifen, desto größer wird das Risiko, dass Marken ihre Einzigartigkeit verlieren. Inhalte ähneln sich, Botschaften werden austauschbar, markentypische Resonanz schwächt sich ab.
Damit ist eines der fundamentalsten Prinzipien erfolgreicher Markenführung bedroht: die Differenzierung. Differenzierung ist die Basis für eine unverwechselbare Identität, ein klares Markenprofil und nachhaltige Wettbewerbsvorteile.
Die Herausforderung ist an sich nicht neu: Bereits vor Beginn der KI-Ära war es gerade in wettbewerbsintensiven Märkten und in weitgehend austauschbaren Produktlandschaften schwierig, Marken klar zu differenzieren. Generative KI spitzt das Problem nun zu: Standardisierte, algorithmisch erzeugte Inhalte führen zu einer wachsenden Verwässerung von Markenidentitäten.
Ist Markendifferenzierung im KI-Zeitalter überhaupt noch möglich?
Markenexperten setzen zur Lösung des Problems auf „Brand-KIs“ – maßgeschneiderte KI-Systeme mit markenspezifischer Logik, eigenen Prompts und gezielt ausgewählten Trainingsdaten. Deren Entwicklung steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Erfordert hohe Investitionen, ohne Garantie auf Erfolg.
Wirft auch markenschutzrelevante Fragen auf: Wie lässt sich verhindern, dass vertrauliches Markenwissen und Kundendaten durch KI einfach aufgesaugt werden und in öffentlichen KI-Modellen landen?
Klar ist: Automatisierung ohne Einbindung des Markenkerns, der Markenwerte und einem tiefen Verständnis von Zielgruppenmotiven kann im Marketing mehr schaden als nützen – bis hin zur Entfremdung markentreuer Kunden. Gerade Markenfans spüren, wie authentisch die Kommunikation ist und reagieren sensibel auf unpersönliche, generische Ansprache und „Algorithmen-Marketing“.
Komplexität der Markenführung wächst
Entgegen manch landläufiger Effizienzversprechen wird Markenführung im KI-Zeitalter nicht automatisch einfacher, sondern im Ganzen anspruchsvoller, kritischer und strategischer.
Mehr Kanäle, schnellere Kommunikation, automatisierte Inhalte erfordern höheren Prüf- und Integrationsaufwand. Schutz vor Verwässerung der eigenen Marke wird zunehmend entscheidend. Markenkern, Leitlinien, Inhalte, Kommunikationsstile müssen noch konsequenter gepflegt werden.
Unternehmen müssen ihr Markenprofil bewusst schärfen und Inhalte gegen „Einheitsbrei“ absichern, um nicht austauschbar oder unsichtbar zu werden, etwa durch veränderte Suchstrategien, KI-Plagiate oder nicht markengerechte KI-Antworten.
Qualität von KI-Inhalten – sehr solide, aber selten originell
KI kann mittlerweile vieles: Texte und Bilder schnell generieren, sprachlich und handwerklich sauber arbeiten und auch Variantenreiches produzieren. Doch gerade bei anspruchsvollen kreativen Aufgaben wirken KI-Outputs nach wie vor zumeist flach, mittelmäßig oder klischeehaft. Selbst aktuelle Spitzentechnologien, wie etwa das kürzlich veröffentlichte „GPT‑5“, ändern daran wenig.
KI-Content fehlt oft inhaltliche Tiefe, sprachliche Prägnanz sowie Originalität und Mut. Das zeigt sich besonders, wenn kreativer Content wie Gedichte, Kurzgeschichten, Witze, Wortspiele oder auch innovative Kampagnenideen gefragt sind.
Es lohnt sich, dies mit Blick auf die eigene Marke einmal im Detail auszuprobieren und auszuloten. Eine Grundfrage lautet dabei: Könnten fast alle Anbieter so sprechen oder handelt es sich wirklich um unterscheidbare Botschaften, die gegenüber konkurrierenden Marken spürbar differenzieren?
Menschliche Kreativität und strategisches Handeln bleiben unersetzbar
Heutzutage ist KI zu vielem fähig. Schnell, effizient und beeindruckend präzise. Trotzdem sind Marken weit mehr als Algorithmen, Wahrscheinlichkeiten und wiedererkennbare Muster. Eine Marke lebt von Haltung, Emotion und Beziehung – von einem echten Verständnis dafür, warum Menschen auf etwas reagieren, nicht nur dass sie es tun.
Genau das ist und bleibt menschliche Aufgabe. Erfahrene Köpfe können sicherstellen, dass Inhalte nicht nur korrekt, sondern auch sprachlich, kulturell und emotional zur Marke passen. Dass sie sich stimmig anfühlen, dass sie berühren und Vertrauen schaffen.
KI kann das alles in Ansätzen simulieren, keine Frage. Sie lernt, sie analysiert, sie kombiniert – aber sie empfindet nicht. Ihr fehlt Erfahrung, Intuition und Leidenschaft. Das, was gute Markenführung letztlich ausmacht, entsteht nicht durch Berechnung, sondern durch Erleben.
Echte Markenbindung entsteht dort, wo Menschen Sinn stiften, Geschichten erzählen und Emotionen gestalten. Das lässt sich nicht rein technisch herstellen – zumindest noch nicht.
Und trotzdem: KI hat ohne Zweifel das Potenzial, vieles besser zu machen. Sie kann aufdecken, wo Marken bislang unklar, inkonsistent oder ineffizient agieren. Sie kann Prozesse harmonisieren und helfen, die Markenführung kohärenter zu gestalten.
Entscheidend ist, dass KI den Menschen nicht ersetzt, sondern unterstützt. Sie kann uns Arbeit abnehmen, aber nicht Denken, Fühlen oder Begeistern. Und genau das bleibt am Ende das, was Marken wirklich stark macht.
Wo KI im Marketing unterstützen kann
Richtig eingesetzt – das heißt sorgfältig reflektiert und gesteuert – kann KI auch im Marketing ein nützliches Werkzeug sein, beispielsweise als Startpunkt in Brainstormings, für erste Content-Entwürfe, zur schnellen Generierung inhaltlicher Varianten oder als virtueller „Sparringspartner“ in Planungsprozessen. Aber: KI ist sicher kein Ersatz für Markenstrategie, kreative Vision und menschliche Qualitätskontrolle.
Kurze Checkliste: Markenidentität bei KI-Einsatz sichern
Überlegen und reflektieren Sie in Ihrem Unternehmen selbst mal zu folgenden Punkten:
- Einsatzfelder
Wo wird KI bereits im Marketing eingesetzt? Mit welchen Tools und mit welchem Ziel? Wo ist dies geplant? Wo bewusst nicht? - Markenschutz
Gibt es klare Leitplanken, um Markenbotschaften konsistent und unverwechselbar zu halten? Wie wird sichergestellt, dass markenspezifische Leitmotive nicht verloren gehen? - Kundenperspektive
Welche Erkenntnisse liegen zur Akzeptanz von KI-Systemen und KI-generierten Inhalten vor? Werden diese regelmäßig erhoben und ausgewertet? - Skills & Schulung
Sind interne Teams und externe Partner im Umgang mit generativer KI geschult und sensibilisiert? - Monitoring
Gibt es laufende Analysen zum Einfluss von KI-Maßnahmen auf die Markenwahrnehmung und Markenbindung der Kunden?
Neue Aufgaben für die Marktforschung
Auch die Marktforschung – und gerade die Markenforschung – steht im KI-Zeitalter vor einer Neuorientierung. Unsere Rolle verschiebt sich: Weg vom reinen Analysieren hin zu einer beratenden und begleitenden Funktion, die Markenidentität schützt, Datenqualität sicherstellt und Kunden wirklich versteht.
Für Marktforscher bedeutet das ganz konkret neue Themenfelder und Projektmöglichkeiten:
1. Wirkung von KI Inhalten auf Zielgruppen messen
- Wie wirken Texte, Bilder oder Spots, die mit KI erstellt wurden, auf unterschiedliche Zielgruppen?
- Welche Motive sprechen sie an – rational, emotional, unbewusst?
- Wie verändern sich Wahrnehmung, Vertrauen, Kaufbereitschaft oder Markentreue, wenn Inhalte KI generiert sind?
Projektidee: Konzepttests oder Werbemitteltests mit klarer Differenzierung „KI generiert“ vs. „klassisch entwickelt“.
2. Kundenakzeptanz für KI Anwendungen erforschen
- Wie reagieren Kunden auf personalisierte Kampagnen, die sichtbar KI basiert sind?
- Welche Akzeptanzgrenzen gibt es beim Einsatz von Chatbots oder Voicebots?
- Welche Unterschiede zeigen sich zwischen Zielgruppen – etwa nach Alter, Digitalaffinität oder Branche?
Projektidee: Akzeptanz- und Nutzungsstudien, ergänzt um qualitative Tiefeninterviews.
3. Customer Journey unter KI Bedingungen analysieren
- Welche Rolle spielen KI Antworten (z. B. in Suchmaschinen oder Chatbots) bei Informationssuche und Kaufentscheidung?
- Wo verschieben sich Touchpoints?
- Wie verändert sich die Relevanz von klassischen Kanälen wie Website, Außendienst oder Broschüre?
Projektidee: Journey Analysen mit Fokus auf KI Touchpoints, ergänzt durch Tagebuchstudien.
4. Markenidentität und Konsistenz überprüfen
- Stimmen KI generierte Inhalte mit der Markenidentität überein?
- Welche Risiken gibt es für Verwässerung oder Gleichförmigkeit?
- Wie können Marktforscher als „Qualitätssicherung“ eingesetzt werden, bevor Inhalte ausgerollt werden?
Projektidee: Markenwirkungsanalysen, Brand Fit Tests, kontinuierliches Monitoring.
5. Datenqualität und Eignung prüfen
- Welche Daten fließen in KI Systeme ein und sind sie wirklich geeignet für strategische Entscheidungen?
- Wie können MaFo Abteilungen Standards für Datenqualität entwickeln?
Projektidee: interne Audits, Datenfitness Checks, Evaluierung von Datenquellen.
6. Begleitung von Pilotprojekten
- Marktforschung kann als neutrale Instanz die Wirkung und Akzeptanz neuer KI Tools im Unternehmen evaluieren.
- Mitarbeitende brauchen Orientierung: Wie verändert sich ihre Arbeit, welche Chancen und Risiken gibt es?
Projektidee: Pilot-Evaluation, Mitarbeiterbefragungen, begleitende Workshops.
7. Markenrisiken im Blick behalten
- Deepfakes, Plagiate, unmarkengerechte Inhalte – alles Gefahren, die den Ruf beschädigen können.
- Marktforschung kann hier Frühwarnsysteme mitentwickeln: über Monitoring, Testpanels oder Social Listening.
Projektidee: Markenrisiko-Monitoring mit definierten Alarmschwellen.
8. Markt- und Wettbewerbsumfeld beobachten
- Wie nutzen Wettbewerber KI?
- Welche Effekte hat das auf Positionierung, Wahrnehmung und Differenzierung?
Projektidee: kontinuierliche Marktbeobachtung, Wettbewerbsstudien, Trendradar.
Freilich bedarf es seitens der Marktforschung hierzu, neben fundiertem Marken- und Kundenwissen auch des Aufbaus eigenen technischen Know-hows.
Übergreifend kann die Marktforschung aktiv dazu beitragen, dass Kundendaten nicht nur verantwortlich (im Sinne von Ethik und Datenschutz), sondern vor allem auch sinnvoll und zielführend gesammelt, verarbeitet, verknüpft und analysiert werden. Entscheidende Parameter sind dabei Datenqualität und Eignung zur Beantwortung konkreter Marketingfragen und Marketingziele.
Zentrale Spannungsfelder und Zielkonflikte
Je nach Branche, Wettbewerbsumfeld, Zielgruppen, Markenreife und Marketingzielen variieren die Anforderungen an Marke, Kommunikation und den Einsatz von KI deutlich. Dennoch stehen Unternehmen vor ähnlichen Spannungsfeldern und Zielkonflikten, in denen sie Entscheidungen für ihre Marken treffen müssen:
- Skalierung & Effizienz versus individuelle Markenidentität & kreative Handschrift
KI kann schnelle Reichweitensteigerung und Kosteneffizienz ermöglichen, birgt aber die Gefahr austauschbarer Markenauftritte, wenn kreative Individualität vernachlässigt wird.
- Kurzfristiger Performancegewinn versus langfristige Markenstrategie
Datengetriebene Optimierungen können schnelle Erfolge bringen, aber auch einer nachhaltigem Markenaufbau und der Markenpositionierung im Weg stehen.
- Hyperpersonalisierung versus Konsistenz der Markenbotschaft
Individuelle Ansprache kann Relevanz und Engagement steigern, aber auch dazu führen, dass zentrale Markenwerte und eine einheitliche Botschaft verloren gehen.
- Datengetriebene Optimierung versus Passung & Authentizität der Inhalte
Algorithmen optimieren für Klicks und Conversions, aber nicht jeder Trend passt zu Markenidentität, Markensprache oder Zielgruppenbedürfnissen. - Automatisierung versus menschliche Steuerung & Nähe
Automatisierte Prozesse sparen Zeit und Kosten, ersetzen aber nicht den persönlichen Kontakt und das emotionale Verständnis in der Kundenbeziehung. - Technologieinnovation versus Vertrauen & Akzeptanz der Zielgruppen
Neue KI-Tools können das Markenimage modernisieren, zugleich aber auf Skepsis und Widerstand stoßen, wenn die Technik undurchsichtig, invasiv oder unpersönlich wirkt.
All diese Zielkonflikte wirken gleichzeitig und beeinflussen sich wechselseitig. Darin getroffene Entscheidungen müssen in ihren Chancen und Risiken balanciert und in jeweiligen Wirkungen sorgfältig evaluiert werden. Andernfalls geriete der Einsatz oder Nicht-Einsatz von KI in Unternehmen zur puren Ideologie- und Glaubensfrage.
Fazit
KI kann im Marketing ein starkes Werkzeug sein, aber sie ist kein Wundermittel. Sie kann unterstützen, beschleunigen, vereinfachen, aber sie ersetzt nicht das Denken, Fühlen und Einordnen, das Marken wirklich stark macht.
Gerade Standardlösungen bergen die Gefahr, dass Marken an Profil verlieren und austauschbar werden. Wer seine Markenidentität bewahren will, sollte KI deshalb bewusst steuern, regelmäßig evaluieren und immer prüfen, ob sie noch zum eigenen Markenkern passt.
Auch in der KI-Branche selbst zeichnet sich ein Wandel ab: weniger große Visionen, mehr praxistaugliche Anwendungen. Dieser Realismus tut gut – vor allem, wenn Marken ihn nutzen, um Technologie gezielt in den Dienst ihrer Identität zu stellen, statt sich von ihr bestimmen zu lassen.
Denn eines gilt auch im KI-Zeitalter unverändert: Vertrauen in Marken ist nur mühsam aufgebaut und schnell wieder verspielt.
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