Bewertungsportale spielen im Internet eine einflussreiche Rolle und sind zu einem entscheidenden Faktor in der Customer Journey vieler Onlinekäufer geworden. Verbrauchern versprechen die Plattformen ihre Kaufentscheidungen durch die Käufer- und Nutzerfahrungen anderer zu unterstützen. Gleichzeitig ermöglichen sie Kunden, Unternehmen offen Rückmeldungen zu ihren Produkten oder Dienstleistungen zu geben. Herstellern und Dienstleistern bieten die Bewertungsportale die Möglichkeit, ihre Angebote öffentlich bewerten zu lassen und aus dem Kundenfeedback zu lernen. Klingt gut und sinnvoll, oder?
Schattenseiten und Dunkelkammern der Welt der Verbraucherportale
Wären da nicht auch die die Schatten- und Kehrseiten der zahlreichen Bewertungsplattformen: Manipulationen, Irreführungen und undurchsichtige Praktiken. Diese torpedieren das Vertrauen der Verbraucher, leiten diese in die Irre. Und können für Unternehmen nicht nur zum Ärgernis werden, sondern im Einzelfall auch erheblichen Schaden anrichten.
Ein Hauptproblem liegt dabei in der Authentizität der Bewertungen (Echtheit der bewertenden Personen und ihrer Urteile). Obwohl die Bewertungsportale behaupten, strenge Prüfprozesse zu haben, um gefälschte Bewertungen zu erkennen und zu entfernen, erscheinen dennoch manipulierte, artifizielle und gekaufte Bewertungen auf diesen Plattformen. Unternehmen sind ihrerseits versucht, eigene Produkte oder Dienstleistungen mit positiven Bewertungen zu überschwemmen, oder auch Konkurrenten mit negativen Bewertungen zu diffamieren. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit von Bewertungsplattformen erheblich untergraben. Verbraucher stehen oft im Dunkeln, welchen Bewertungen sie nun trauen können und welchen nicht. Dies bleibt letztlich dem individuellen Gespür des Einzelnen überlassen.
Zudem legen die Betreiber von Bewertungsportalen ihre Bewertungssysteme und Suchalgorithmen längst nicht immer offen. So können beispielsweise die Reihenfolge der angezeigten Bewertungen manipuliert und bestimmte Bewertungen und damit verbundene Unternehmen und Produkte einseitig bevorzugt werden.
Ein weiteres Problem liegt in der Repräsentativität der Bewertungen. Bewertungsportale können zu einseitigen und damit unfairen Darstellungen von Unternehmen führen: Oft geben nur unzufriedene Kunden, oder eben jene mit manipulativen Motivationen, ihre Bewertungen ab – während zufriedene Kunden, die de facto in der Mehrheit sein können, oft deutlich weniger motiviert sind, ihre Meinung mit anderen zu teilen (sofern ihre Erwartungen nicht übererfüllt wurden; erwartungskonforme Kauf- und Nutzererlebnisse erscheinen hingegen „selbstverständlich“ und weniger der Rede wert).
Dies führt zu einem verzerrten Bild von Unternehmen und deren Leistungen. Gerade für kleinere Unternehmen, die in hohem Maße von guten Bewertungen abhängig sind, um sich im Wettbewerb zu behaupten, kann dies verheerend sein. Insbesondere bei vergleichsweise geringer Zahl an Bewertungen fällt dies besonders ins Gewicht.
Nicht zuletzt können Bewertungsportale auch zu einem Werkzeug der Erpressung werden. Unternehmen berichten sogar davon, dass Kunden oder konkurrierende Unternehmen ihnen drohen, negative Bewertungen zu hinterlassen, wenn sie nicht bestimmten Forderungen nachgeben.
Spannend sind in puncto Bewertungsportale insgesamt die Fragen: Wer sind die Beurteiler? Was motiviert ihre öffentlichen Urteile – im Unterschied zu all jenen Käufern und Nutzern, die lediglich die Bewertungen anderer lesen, selbst aber keine Bewertungen abgeben. An welchen Stellen der Customer Journey werden Bewertungsportale genutzt? Und natürlich: In welcher Weise und in welchem Ausmaß werden Kaufentscheidungen und Produkt- und Anbieterimages von den (in der Regel anonymen) Urteilen anderer auf den Bewertungsportalen im Internet beeinflusst?
Bewertungsportale sind Teil der Verbraucherdemokratie
Trotz aller genannten Problemfelder ist es wichtig zu betonen, dass Bewertungsportale nicht grundsätzlich schlecht sind, und ihre Berechtigung und ihren Nutzen in einer „Verbraucherdemokratie“ haben. Unter den Konsumenten erfreuen sich diese auch einer recht hohen, wenn auch nicht unkritischen Beliebtheit und werden häufig genutzt. Bewertungsportale können Verbrauchern tatsächlich wertvolle und hilfreiche Einblicke geben, wenn sie richtig genutzt, betrieben und gepflegt werden. Es scheint jedoch an der Zeit, dass die Plattformen ihre Verantwortung stärker wahrnehmen, und Maßnahmen ergreifen, Manipulationen zu bekämpfen und insgesamt für mehr Transparenz zu sorgen.
Beispielsweise durch:
- Strengere Überprüfung: Implementierung effektiver (auch KI-basierter) Prüfmethoden, um gefälschte oder Bot-generierte Bewertungen und Fake-Accounts zu identifizieren und zu entfernen. Anfälligkeit für Manipulationen reduzieren (gänzlich auszuschließen sind diese freilich nicht).
- Höhere Transparenz: Offenlegung der Bewertungsverfahren und Algorithmen, um Manipulationen zu verhindern und das Vertrauen der Nutzer zu stärken.
- Bessere Richtlinien: Etablierung klarer Richtlinien für Nutzer und Unternehmen, um unfaire Bewertungspraktiken zu verhindern.
- Rechtliche Konsequenzen: Schaffung rechtlicher Mechanismen, um Nutzer und Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, die gefälschte Bewertungen abgeben oder Bewertungsportale für unlautere und kriminelle Zwecke nutzen.
- Ausgewogene Repräsentation: Förderung einer ausgewogenen Repräsentation von Unternehmen und Nutzerurteilen, um ein realistischeres Bild für Verbraucher zu schaffen.
Bewertungsportale müssen sich insgesamt bewusst sein, dass ihr längerfristiger Erfolg als Informationsquelle letztlich von ihrer Vertrauenswürdigkeit abhängt. Nur wenn sie Maßnahmen ergreifen, um Manipulationen zu unterbinden und Transparenz zu gewährleisten, können sie tatsächlich dazu beitragen, Verbraucher sinnvoll zu unterstützen und Unternehmen und deren Leistungen möglichst fair zu bewerten.
Zugleich gilt: Solange es Menschen gibt, gibt es auch Menschen (und Unternehmen) die bewusst täuschen, lügen, simulieren, manipulieren, faken, desinformieren, hassen, käuflich sind. Das werden, zumal in einer offenen und meinungsfreien Gesellschaft, auch die besten, transparentesten und unabhängigsten Bewertungsportale nicht prinzipiell ändern, sondern nur bestmöglich eindämmen können. Weiterentwicklungen von KI werden dies zukünftig einerseits erleichtern, umgekehrt zugleich aber auch erschweren (durch Vereinfachung und Ausdifferenzierung von Fake-Bewertungen). Dies ist kein Fatalismus, sondern ein wacher Realismus.
Meinungen sind keine Fakten
Als Verbraucher sollten wir daher kritisch hinterfragen, was uns auf diesen Plattformen präsentiert wird, und nicht blindlings auf die Meinungen, Urteile und Bewertungen anderer vertrauen. Sondern auch eigene Recherchen anstellen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Dabei können zusätzliche Informationsquellen – wie Kunden- und Nutzererfahrungen aus dem sozialen Nahumfeld, Testberichte unabhängiger Medien, Verbraucherberatungen, Vergleichsportale und natürlich auch die klassische Fachberatung im stationären Handel, hilfreich sein. Dies mag bisweilen weniger einfach und bequem sein, verhindert aber im Alltag – zumal bei größeren Ausgaben und Investitionen – manche Enttäuschungen oder Fehlkäufe.
Zudem gilt es ein eigenes feines und intuitives Gespür dafür zu entwickeln, welchen Bewertungen und Rezensionen man trauen kann (und vertrauen möchte) – und welchen nicht. Was einem als Bewertung als „echt“, „fair“, „differenziert“ und „ausgewogen“ erscheint, und was nicht. Oft lohnt es in der Praxis beispielsweise mehr, Rezensionen mit 3 oder 4 Sternen durchzulesen als nur einseitig „bejubelnde“ oder ausschließlich negative oder „vernichtende“ Meinungsbekundungen (hier einmal dahingestellt, ob diese auf tatsächlichen Nutzererfahrungen beruhen oder nicht).
Zudem gilt, wie auch allgemein im Alltag: Meinungen sind keine Fakten! Auch „ehrliche“ Meinungen nicht. Und: Manipulationsresistent zu sein oder zu werden, das ist eine kontinuierliche Lebensaufgabe. Ebenso wie situativ differenziert Vertrauen zu schenken oder auch gesundes Misstrauen walten zu lassen…
Was können Unternehmen mit Blick auf Bewertungsportale tun?
Auch die Unternehmen sind den (echten wie manipulierten) Urteilen und Meinungen auf Bewertungsportalen keineswegs hilflos ausgeliefert. Ansatzpunkte für einen aktiven Umgang mit Bewertungsportalen sind beispielsweise:
- Identifikation der für das eigene Unternehmen relevantesten Bewertungsportale
- Regelmäßiges Monitoring der relevanten Bewertungsportale / Screening der Urteile und Beiträge
- Integration in das unternehmensinterne Qualitäts- und Beschwerdemanagement
- Offen auch für kritisches Kundenfeedback sein, negative Äußerungen wo möglich konkret beantworten. Zeitnahe Lösungen für berechtigte Kritik und Beschwerden finden.
- Kunden dazu ermutigen, auf Bewertungsportalen authentisches Feedback zu Produkten oder Dienstleistungen zu hinterlassen.
- Gleichzeitig klare Kanäle für Kunden schaffen, um mögliche Unzufriedenheiten direkt und persönlich mit dem Unternehmen zu besprechen. Dies verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden aufgrund fehlender direkter Beschwerdemöglichkeiten ihre Unzufriedenheit öffentlich und anonym besonders stark ausdrücken.
- Nutzung des öffentlichen Kundenfeedbacks als Ausgangspunkt für systematische und vertiefende Marktforschung (Produktforschung etc.) und Kundenzufriedenheitsforschung. Bewertungsportale können professionelle Marktforschung nicht ersetzen, Unternehmen auf qualitativer Basis aber durchaus Anregungen dafür bieten, an welchen Stellen es sich lohnt, genauer hinzusehen und kommunizierte Stärken, Schwächen und Potenziale detaillierter und dann auch repräsentativ (quantifizierend) unter die Lupe zu nehmen.
- Generell gilt: Unternehmen sollten ihrerseits konsequent der Versuchung widerstehen, eigene Manipulationsversuche auf Bewertungsportalen zu unternehmen und die eigenen Kunden nicht für dumm verkaufen. Im Raum stehen hier nicht nur allgemeine Aspekte des unlauteren Wettbewerb und der Corporate Ethics – beim Öffentlich-Werden zahlt man dafür im Verbrauchervertrauen und in der unmittelbaren Kundenbeziehung einen sehr hohen Preis.
Unsere eigenen Untersuchungen zu Bewertungsportalen im Rahmen der aktuellen Studie «Nutzung und Wirkung von Bewertungsportalen bei Banken, Krankenkassen und Versicherern» zeigen:
Positive Bewertungen mögen wie Applaus für Ihr Unternehmen sein, doch negative Bewertungen wirken wie ein Feuerwerk! Der Effekt negativer Bewertungen auf das Image ist deutlich größer als der von positiven Bewertungen. Zudem sind zufriedene Konsumenten eher bereit auf eine Einladung hin eine Bewertung zu schreiben, wenn sie positiv über das Unternehmen denken, als wenn sie negativ über das Unternehmen denken. Somit könnte mit der aktiven Einladung zur Bewertung der Anteil positiver Bewertungen erhöht und zusätzlich durch die Offenheit für Feedback das eigene Image gestärkt werden.
Kontakt aufnehmen und weiter austauschen
Interessiert am weiteren Austausch zum Thema Bewertungsportale und Kundenfeedback, und damit verbundenen unternehmensspezifischen Marktforschungsprojekten? Dann sprechen Sie uns gerne an:
Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005-12.
Wir freuen uns auf den vertiefenden Austausch mit Ihnen!
Weitere Blogbeiträge zu vielen zukunftsrelevanten und innovativen Themen finden Sie regelmäßig auf der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.
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