Nachhaltigkeit: Eine Generationenfrage?

Nachhaltigkeit: Eine Generationenfrage
Feb 24, 2023

Nachhaltigkeit: Eine Generationenfrage?

Junge Menschen, und speziell die GenZ, gelten in Fragen der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes gewöhnlich als besonders sensibel, ungeduldig und fordernd. Oberflächlich betrachtet kann sogar der Eindruck entstehen, Nachhaltigkeit sei primär ein „Jugendthema“. Soziale Bewegungen wie „Fridays for Future“ und deren junge Protagonisten bestätigen dieses Bild. Und auch manche Umfrage und mediale Berichterstattung kommt zur pauschalen Einschätzung, dass die GenZ im Vergleich zu älteren Generationen eine „grundsätzlich höhere Affinität“ zu Nachhaltigkeit aufweise.

Nicht wenige Unternehmen und Marketiers folgern daraus, dass die passendsten und erfolgversprechendsten Adressaten und Zielgruppen für nachhaltige Produkte und Marken vor allem die jüngeren Konsumenten seien.

Einmal unterstellt, dass jüngere Menschen in ihren Einstellungen und in ihrem Verhalten tatsächlich deutlich „nachhaltigkeitsaffiner“ wären:

Ergäbe sich für Unternehmen aus einer solchen Alters- und Zielgruppenperspektive ein schlüssiger und überzeugender Nachhaltigkeitsansatz für die Zukunft?

Eher nicht. Und zwar aus verschiedenen Gründen:

  • Nachhaltigkeit ist als konzeptioneller, richtungsgebender und strategischer Ansatz unteilbar. Nachhaltigkeit kann nicht primär nur ein spezifischer Zielgruppenansatz sein. Am langen Ende müssen ganze Unternehmen, gesamte Wertschöpfungsketten und möglichst viele Kunden bzw. Verbraucher auf dem Nachhaltigkeitsweg mitgenommen werden – nicht nur junge Menschen.
  • Einseitige Fokussierungen auf – tatsächliche oder auch nur vermutete – Generationenunterschiede in den Einstellungen und im Verhalten in puncto Nachhaltigkeit überbetonen Unterschiede gegenüber Gemeinsamem und Verbindendem. Medial mag dies zwar eine gewisse Aufmerksamkeit hervorrufen, generationenbezogene Spaltungen, Blockaden oder Ideologien befördern, übergreifend erforderliche Wandelprozesse auch absichtsvoll verlangsamen. Zukunftsfähig erscheint dies aber nicht.
  • In der Detailbetrachtung und bei genaueren Analysen ist es keineswegs so, dass das Thema Nachhaltigkeit jüngeren Menschen grundsätzlich wichtiger wäre als älteren Menschen. Nachhaltigkeitsbezogene Kaufinteressen, Kaufbereitschaften und Kaufverhalten liegen näher beieinander als zunächst vermutet werden könnte. Teils zeigen sich ältere Konsumenten hier sogar „konsequenter“ und „eigenverantwortlicher“ als jüngere. (siehe hierzu beispielsweise die Ergebnisse unserer Eigenstudie: „GenZ und Nachhaltigkeit bei Versicherern – ein Generationenvergleich“.
  • Manche Untersuchungen fokussieren beim Thema Nachhaltigkeit ausschließlich auf die GenZ – ohne einordnende Vergleiche und Gesamtkontext. Dies kann zu Verzerrungen eines ausgewogenen Gesamtbilds führen.
  • Auf der Produktebene mag es noch gelingen, traditionelle von ausdrücklich „nachhaltigkeitsorientierten“ Produktsegmenten und Produktwelten zu unterscheiden und zu vermarkten (auch solche mit betont „jugendlichem Anstrich“). Auf der Markenebene funktionieren solcherlei Unterscheidungen jedoch nur durch den Aufbau dezidiert nachhaltigkeitsorientierter „Submarken“ (wiederum möglicherweise mit besonderem „Jugendbezug“). Braucht es diese wirklich? Sind sie mit Blick auf ihre Dachmarken und das Gesamtunternehmen längerfristig zielführend und erfolgreich? Zumindest darf daran gezweifelt werden, dass solcherart Segmentierungen und Aufspaltungen im Kontext von Nachhaltigkeit Sinn ergeben.
  • Es ist absehbar, dass Greenwashing-Verdachte die Unternehmen in den kommenden Jahren weiter begleiten und verfolgen werden. Zumal diese aufgrund vollmundiger Versprechen oder auch Scheinheiligkeiten überwiegend hausgemacht und provoziert erscheinen. Entkräften lassen sich diese nur über konkretes und ganzheitlich angelegtes nachhaltigkeitsorientiertes Handeln, nicht über grüne Inselbildungen oder Auslagerungen, die Greenwashing-Verdachte möglicherweise noch befeuern.
  • So genannte „Mind-Behavior-Gaps“ (also die Kluft zwischen dem, was wir denken, wissen und beabsichtigen und dem, was wir wirklich tun) ist kein generationenspezifisches Phänomen. Eine mögliche höhere Affinität sollte daher nicht vorschnell mit konsequentem Folgehandeln gleichgesetzt werden.
  • Generell – und verstärkt in der weniger kaufkräftigen jüngeren Generation – wird es auf Dauer nicht funktionieren, höhere Preise per se und ohne ausreichende Begründung durch Nachhaltigkeit zu rechtfertigen. Die automatische Verkopplung von nachhaltig mit hochpreisig mag kurzfristige Gewinnsteigerungsabsichten befriedigen. Längerfristig und speziell in Hinblick auf die jüngere Generation erscheint dies aber nicht als durchdachter Weg. Mit Blick nach vorn darf nachhaltiger Konsum dem Grundansatz nach kein Spezialsegment oder Luxussegment sein. Ebenso wenig darf nachhaltiger Konsum, um attraktiv zu sein, ausschließlich Verzicht und Einschränkungen bedeuten.

 

Nachhaltigkeit ist keine Generationenfrage und kein Jugendthema

 Kurz: Es spricht sehr viel dafür, Nachhaltigkeit konzeptionell – mit Blick nach innen wie auch auf Kunden, weitere Stakeholder und die eigene Marke – zuvorderst als ganzheitlichen und (generationen-) übergreifenden zu verstehen. Was eine schrittweise und schwerpunktmäßige Umsetzung keineswegs in Frage stellt, alles auf einmal kann kaum gelingen.

Es ergibt durchaus Sinn, verschiedene Zielgruppen und Motive für nachhaltiges Verhalten differenziert anzusprechen. Weniger aber, das Thema Nachhaltigkeit generationenbezogen oder markenbezogen aufzuspalten und zu parzellieren. Nachhaltigkeit – und das heißt in längerfristiger Perspektive ökologisch, sozial wie auch ökonomisch sinnvolles und verantwortbares Handeln – ist eine Aufgabe, die sich nicht dafür eignet, in vereinfachende Schubladen (nach Alter oder anderen Differenzierungsparametern) gesteckt zu werden. Ebenso wenig eignet sie sich dafür, zu einer Generationenfrage oder zum Generationenkonflikt stilisiert zu werden. Und natürlich generell auch nicht für substanzlos vollmundige und blumige Marketingversprechen oder eilige grüne Bemäntelung.

Zugleich lässt sich feststellen: Aktuell räumen viele Konsumenten (nicht nur ältere!) dem Thema Nachhaltigkeit in bestimmten Konsumbereichen noch keine hohe Priorität ein. Dies gilt verstärkt beispielsweise beim Reisen oder bei Geldanlage und Altersvorsorge – weniger etwa als bei Lebensmitteln oder Energie. In manchen Produktbereichen können sich Verbraucher bisher erst wenig vorstellen, was Nachhaltigkeit hier konkret bedeuten kann (bspw. bei Krankenversicherung).

Vielerorts gilt Nachhaltigkeit – in Unternehmen wie auf Kundenseite – auch immer noch als „Nice-to-have“ und nicht als unverzichtbarer Hygienefaktor, als „Must-have“ oder einfach nur als selbstverständlich. Dieser gesamtgesellschaftliche Lern-, Entwicklungs- und Innovationsprozess dauert an. Und wird dies noch länger tun. Auch hier stehen wir vor einer Zeitenwende und mitten im epochalen Wandel. Unternehmen sind dabei starke Player, ebenso Verantwortliche wie Getriebene. Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Solange bis diese selbstverständlich ist.

Die Frage, ob es die heutige „GenZ“ ist, die der Nachhaltigkeit zu entscheidenden Durchbrüchen verhelfen wird, ist interessant, am Ende aber nicht entscheidend. Ihre Impulse und ihre Ungeduld sind wichtig und wertvoll. Ihr Engagement und ihre Innovationskraft sind gefragt. Die GenZ ist aber weder die letzte Generation, noch die einzig relevante. Auch viele Ältere haben längst dazugelernt und leisten zunehmend ihren wichtigen Beitrag. Ihre eigene Zukunft ist ihnen nicht egal, schon gar nicht die ihrer Kinder und Enkelkinder.

 

Überlegen Sie selbst einmal…

  • Welche aktuellen Ziele, Konzepte und Strategien verfolgt Ihr Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit? Welche konkreten Schritte und Zeiträume sind dafür definiert?
  • Welche Rolle spielen dabei übergreifende, segmentspezifische oder auch generationenbezogene Ansätze?
  • Inwiefern werden Produktebene und Markenebene in puncto Nachhaltigkeit berücksichtigt und differenziert?
  • In welcher Weise werden wichtige Stakeholder (Investoren, Kunden, Mitarbeiter etc.) in die Überlegungen bisher einbezogen? Was hat Ihre eigene Marktforschung hierzu bereits an Erkenntnissen und Einsichten geliefert? Wo bestehen Lücken und Aufgaben?
  • Wie wird Ihr Unternehmen – auf Produktebene wie auch auf Markenebene, und auch im Vergleich zum Wettbewerb – in puncto Nachhaltigkeit wahrgenommen? Als Vorreiter, Mitläufer, Nachzügler etc.? Wie kann Nachhaltigkeit auf Markenebene überzeugend integriert und kommuniziert werden?
  • Wirken die nachhaltigkeitsbezogenen Strategien und die Maßnahmen Ihres Unternehmens auf Sie bereits schlüssig und ausgereift? Oder eher noch aktionistisch, widersprüchlich oder halbherzig?
  • Welche Veränderungen der Kundenwahrnehmung Ihres Unternehmens und Ihrer Angebote haben Sie mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit bereits festgestellt? Wie haben sich konkrete Erwartungen, Wünsche und Forderungen verändert? Und in welche Richtung setzen sich diese fort?
  • Was wird den Kunden und Mitarbeitern Ihres Unternehmens bisher über die Nachhaltigkeitsbestrebungen Ihres Unternehmens kommuniziert? In welcher Form, Transparenz und Regelmäßigkeit? Wie wird dies bisher wahrgenommen und beurteilt?
  • Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen derzeit konkreten Forschungs- und Entwicklungsbedarf?

 

Kontakt aufnehmen und austauschen

Interessiert am weiteren Austausch zum Thema Nachhaltigkeit im unternehmensspezifischen Kontext und damit verbundenen Forschungsprojekten und Entwicklungsperspektiven? Sprechen Sie uns gerne an: Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005-12. Wir freuen uns auf den vertiefenden Austausch mit Ihnen!

Weitere Blogbeiträge zu zukunftsrelevanten und innovativen Themen finden Sie regelmäßig auch in der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.

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