Unternehmen sollten sich mehr Zeit nehmen, über die Zukunft und über ihre Zukunft nachzudenken. So können Chancen, Risiken und Potentiale möglicher „Zukünfte“ ermittelt, bewertet und genutzt werden. Auch der Marktforschung kommen dabei wichtige Rollen zu.
Unternehmen und ihre Entscheider stehen immer schon – heute jedoch deutlich umfassender und zugespitzter – vor der Frage, wohin sich ihr relevantes Marktumfeld in Zukunft entwickeln wird.
Auf welche gesellschaftlichen, politischen, ökologischen, technologischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann, muss oder sollte sich das Unternehmen längerfristig einstellen? In welche Richtungen werden sich einzelne Branchen und Märkte entwickeln? Welche Werte und Einstellungen werden das Kundenverhalten von morgen und übermorgen prägen? Welche qualitativen Wirkmechanismen und welche quantitativen Bemessungen der Einflussfaktoren sind zu berücksichtigen? Welche Zeitschienen und welche Wechselwirkungen spielen dabei eine Rolle?
Einfache lineare Prognosen, auf Vergangenheitsdaten und „Traditionswissen“ basierende Extrapolationen in die Zukunft – aus denen sich ebenso einfach auf Sicht von Jahren tragfähige bzw. gesicherte Entscheidungen, Strategien und Handlungspläne ableiten ließen – helfen zur Ausrichtung heute kaum mehr weiter. Ihre Kraft ist angesichts steigender Komplexität und Diskontinuität weitgehend verblasst. Zukunft ist letztlich immer nur als mögliche begreifbare, nicht aber nach Gesetzen der Wahrscheinlichkeit eintretende Ordnung.
Daran können auch – ebenfalls auf Vergangenheitsdaten beruhende – Big Data Analytics und ausgefeilte softwaregestützte Rechenoperationen im Grundsatz wenig ändern – auch wenn diese heute gerne als Heilmittel verkauft werden und zur Aufrechterhaltung von Kontroll-Illusionen dienen. Die Zukunft entzieht sich zunehmend der Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit, Kontrolle, Stabilität und Verlässlichkeit. Wohin die Reise geht, bleibt offen.
Vielmehr müssen – bildlich gesprochen – in einer „chaotischeren“ Welt mögliche neue Ordnungen gefunden werden und den Dingen zugleich aktiv auch selbst neue Ordnungen gegeben werden. Dies lässt sich als Kreativität und als Innovation bezeichnen. Übergreifend als strategisch vorbereitendes Denken und Handeln.
Als Gedankenexperimente. Als Denken in möglichen Zukünften, in Zukunftsbildern, in Szenarien.
Umso erstaunlicher, dass in nicht wenigen Unternehmen eine seltsame Unlust und ein spürbares Unbehagen feststellbar ist, sich in grundlegender und kontinuierlicher Weise mit Fragen der Zukunft zu beschäftigen. Dabei auch eine größere Offenheit und mehr Mut in deren Diskussion zu entwickeln. Fast so, als wäre Neues zu lernen und zu entdecken keine fundamentale und fortwährende unternehmerische Aufgabe. Woran liegt das? Die Gründe bzw. die Begründungen für eine fehlende stärkere Beschäftigung mit der Zukunft erscheinen vielfältig:
- Vermeintlicher „Zeitmangel“ aufgrund des Alltagsgeschäfts.
- Zweifel an der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit, sich überhaupt mit Fragen der Zukunft zu beschäftigen, da diese ja ohnehin nicht mit Sicherheit vorhersagbar ist.
- Scheu vor dem gedanklichen, zeitlichen, ressourcenmäßigen Aufwand (Sparen an der falschen Stelle).
- Festhalten an der Vorstellung, die Zukunft sei mehr oder weniger doch lediglich eine Fortführung von Vergangenem, von Gewohntem oder von bereits bekannten Trends (Aufrechterhalten von Kontroll- und Stabilitätsillusionen).
- Grundlegende Angst vor dem Wandel und der Beschäftigung mit möglichen eigenen Wandelerfordernissen (Abwehr als Bewältigungsmodus).
- Unfähigkeit oder Unwille sich damit zu konfrontieren, dass ein „weiter wie bisher“ in vielen Fällen jetzt schon keine angemessene Lösung mehr ist.
- Fehlende Kompetenz, Übung und Unterstützung beim Nachdenken, Mitdenken und Umdenken in relevanten Zukunftsfragen.
- Missverständnis, die Beschäftigung mit der Zukunft wäre per se primär „risiko-/ krisengerichtet“, statt zugleich auch „chancengerichtet“.
- Transformationsproblematik: Wie können, sollten und müssen Einsichten in mögliche Zukünfte genutzt und umgesetzt werden?
- Unternehmenskultur, die Veränderungen und Wandel (extern wie intern) primär als „Störereignis“ und als (möglichst auszuschließende) „Störvariable“ begreift.
- Ein höheres Maß an Unsicherheit verlangt eigentlich ein Mehr an Offenheit und Flexibilität – führt in der Praxis aber oft zu einem Gefühl der Überforderung und letztlich zur Flucht in alte Gewohnheiten.
Überlegen Sie selbst einmal: Wer beschäftigt sich in Ihrem Unternehmen mit Zukunftsfragen (Entscheider-Gremien, Stabstellen etc.)? Wer stößt ein solches Nachdenken an? Erfolgt die Beschäftigung mit Zukunftsfragen eher ad hoc (anlassbezogen bspw. kriseninduziert) oder kontinuierlich (ereignisunabhängig)? Welche Mittel werden dafür genutzt? In welcher Weise werden als relevant erachtete Erkenntnisse zur Zukunft im Unternehmen kommuniziert, diskutiert und bewertet? Ist die Marktforschung systematisch in wichtige Fragen der Zukunft einbezogen? Spielt diese eine aktive Rolle? Wenn ja: In welcher Weise? Wenn nein: Warum nicht?
Offensichtlich ist: Keiner kann heute mehr ernsthaft behaupten, die Zukunft (konkret: die für das eigene Unternehmen relevanten zukunftsgerichteten Umweltinformationen) in einer Weise vorhersagen zu können, dass daraus ein geschlossenes und einzig sinnvolles Konzept ableitbar wäre, wohin (Unternehmenspolitik, Unternehmensziele), wie (Unternehmensstrategien) und womit und wann (Unternehmensplanung) sich das Unternehmen langfristig bewegen und entwickeln kann, muss oder sollte.
Prognosen und Trendextrapolationen mögen sich in gewissem Umfang zwar noch eignen, kurzfristige dispositive (vorentscheidende) oder operative (entscheidungsumsetzende) Prozesse mit Blick auf 12 oder 18 Monate zu steuern – beispielsweise bei jährlichen Budgetplanungen oder bei anderen kurzfristig gerichteten Entscheidungen. Nicht jedoch auf mittelfristige und längere Sicht von 3, 5, 10 oder noch mehr Jahren. Seriöse Langfrist-Prognosen sind kaum möglich.
Daraus nun zu schließen, es mache wenig Sinn, sich überhaupt noch mit der Zukunft zu beschäftigen, wäre allerdings ein grundlegender Trugschluss. Eine Verfehlung zugleich, die Beschäftigung mit Fragen der Zukunft als „Sandkastenspiele“ abzutun oder diese anderweitig zu diffamieren. Starrsinnig, weiterhin an überholten Prognoseparadigmen festzuhalten.
Doch was kann die Erkenntnislücken in größer werdenden Unsicherheitssituationen füllen? Was kann eine Vorausschau in die Zukunft ermöglichen, die für grundsätzliche, richtungsgebende Entscheidungen unerlässlich ist? Was kann dazu beitragen, über „mögliche Zukünfte“ nachzudenken und – wo als notwendig und sinnvoll erkannt – sich gedanklich, „probehandelnd“ oder auch unmittelbar ressourcenaufbauend darauf vorzubereiten?
Denken in verschiedenen Szenarien
Ein wichtiges und probates Mittel ist hier das methodische Denken in Szenarien (Zukunftsbilder des Unternehmensumfelds und des eigenen Unternehmens) und in Handlungsalternativen.
Dabei gilt es jedoch zunächst mögliche Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden: Der wesentliche Fokus liegt bei Szenarien nicht darauf, die wahrscheinlichste aller denkbaren Zukünfte zu ermitteln (Fortschreibung alter Prognoseparadigmen) und sich dann ausschließlich darauf zu fokussieren, sondern im Gegenteil, in Alternativen zu denken. Unterschiedliche Szenarien zu identifizieren, zu beschreiben, zu analysieren, zu diskutieren und zu transformieren. Kurz: Vorausdenken in die Zukunft ist nicht gleich Vorhersagen der Zukunft. Szenarien stellen keine (kaum realisierbare) langfristige Prognose dar.
Qualität und grundlegender Nutzen von Szenario-Analysen rechnen sich eben gerade nicht nach Wahrscheinlichkeit oder Datum ihres tatsächlichen Eintretens, sondern liegen in der systematischen, offenen und möglichst vorurteilsfreien gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Möglichen (= einer sich später möglicherweise realisierenden Zukunft bzw. einer im gedanklichen Experiment als eintretend gedachter Wirklichkeit).
Corona-Pandemie als ernsthafte Realität gewordenes Szenario
Dies sei aus aktuellem Anlass und notwendig verkürzt an der Corona-Krise verdeutlicht: Vorhersagen in einem engeren Sinne konnte die aktuelle Pandemie niemand. Nicht das Wann, nicht das Wo und Wie ihres Auftretens. Nicht ihre Wahrscheinlichkeit, nicht ihr Ausmaß, nicht ihre Dynamik etc. Dennoch wurde ein solches Szenario 2012 in einer Risikoanalyse der Bundesregierung bereits recht gut beschrieben und auch veröffentlicht (BT-Drucksache Nummer 17/12051; Link: https://dejure.org/Drucksachen/Bundestag/BT-Drs._17/12051).
Konsequenzen in Form vorbereitender und präventiver Strategien und Planungen, hatte dies jedoch nicht wirklich. Was dann – einmal in der akuten Krise gefangen – vielerorts überdeutlich wurde und bis heute noch wird. Die Frage, wie das Versäumnis der Vorbereitung auf ein solches Szenario zu bewerten ist, was dadurch möglicherweise vermeidbar, besser bewältigbar gewesen wäre, soll hier offen bleiben. Am Ende mag man dies je nach Perspektive als schicksalhaft, unvermeidlich, menschlich, verzeihlich, fahrlässig, unverantwortlich, töricht oder anderweitig beurteilen.
Fest steht aber, dass wir (immerhin!) einer solchen Möglichkeit bereits ins Auge gesehen haben (vor ihrem Eintreten), wir aber dennoch weitestgehend darauf unvorbereitet waren. Auch in der Wirtschaft und in einzelnen Unternehmen lassen sich zahlreiche solcher Beispiele finden.
Szenarien machen Unsicheres greifbarer, verständlicher und behandelbarer (handlungsnäher)
Hier interessiert vor allem, dass das Denken in umweltbezogenen und handlungsbezogenen Alternativen einen sehr wertvollen Beitrag leisten kann, längerfristige Ziele, Strategien und Handlungsmöglichkeiten im Möglichkeitsraum zu fundieren, auszuloten und vorzuplanen – freilich in anderer Weise und Zielsetzung als bei kurzfristig angelegten Prognosen. Szenarien bieten keine, auch keine vermeintliche, Prognosesicherheit.
Lassen sich nun mit Zukunftsforschung, und mit dem Arbeiten mit Szenarien im Speziellen, alle möglichen relevanten Zukünfte und deren Einflussfaktoren erfassen? Und kann man sich als Unternehmen auf alle möglichen Zukünfte vorbereiten? Nein!
Das Denken in Szenarien und in darauf bezogene Handlungsalternativen ist ein kontinuierlicher Prozess der ergebnisoffenen Auseinandersetzung mit möglicher Zukunft in bestimmten Aspekten und Ausschnitten. Das schwächt jedoch keineswegs ihren Wert.
Mit durchaus hoher Sicherheit lässt sich nämlich sagen: Wer als Unternehmen auf keinerlei Szenario vorbereitet ist, der ist um einiges schlechter für die Zukunft aufgestellt als Unternehmen, die regelmäßig Szenarien durchspielen, kontinuierlich in puncto möglicher Zukünfte nachdenken, mitdenken, umdenken…
Nicht allein aufgrund der Tatsache, dass bestimmte Szenarien später tatsächlich auch einmal Wirklichkeit werden können. Sondern, weil bereits die eigene Konfrontation mit Szenarien aus der Routine, Beschränktheit und Enge des Alltagsdenkens, aus der bloßen Orientierung an Vergangenheit und dem gegenwärtigen Status Quo herausführt. Weil die Fähigkeit dafür gestärkt wird, auch in stärker veränderten Unternehmensumwelten schneller und effektiver handlungsfähig zu sein. Im aktuellen Management-Neusprech formuliert: letztlich auch dazu beiträgt, als Unternehmen „agiler“ zu werden.
Das praktische Arbeiten mit Szenarien
Zunächst gilt: Themen, Fragestellungen, Umfang und Betrachtungstiefe von Szenarien sind frei wählbar. Wichtig ist jedoch, sich vorab bereits darüber klar zu werden, welche Ziele und Zwecke man dabei verfolgt. Szenarien sind kein Selbstzweck. Sie sollen etwas bewirken, indem aus ihnen (mögliche) Konsequenzen für gegenwärtiges und zukünftiges Handeln abgeleitet werden können, deren Begründung vornehmlich in der Zukunft liegt.
Soll es beispielsweise bei der Bearbeitung eher um interdisziplinären oder abteilungsübergreifenden Austausch und Transfer von Wissen gehen? Oder sollen für Entscheider ganz konkrete Ziele, Strategien und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden? Welche Einflussparameter und Deskriptoren sollen innerhalb des Szenarios im Vordergrund stehen? Sollen nur Experten und Führungsverantwortliche an der Szenario-Analyse beteiligt werden, oder auch Mitarbeiter und Kunden? An wen und in welcher Weise sollen die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse später im Unternehmen vermittelt werden?
Für Auswahl, Entwurf und Durchspielen spezifischer Szenarien gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen. Diese können hier nicht vertiefend dargestellt werden. Einen umfassenderen Überblick und Beispiele findet man beispielsweise HIER oder in einer stärker einzelne Szenarien beschreibenden Weise auch HIER.
Kalkulatorische, auf die Simulation und Modulation einzelner ökonomischer Parameter zielende Ansätze, stammen beispielsweise von Gaßner, Koscow und Götze (siehe auch Literaturhinweise am Ende des Blogbeitrags).
In der Regel erscheint es sinnvoll, zunächst ein Grundszenario bzw. Basisszenario zu entwerfen und im Planungsprozess durchzuspielen, das von einer relativ stabil bleibenden Unternehmensumwelt ausgeht (im Sinne einer Trendfortsetzung). Dies erleichtert oft den Einstieg, da ein solches Szenario besonders praxisnah, erfahrungsnah und primär an bereits gegenwärtig wirksamen (ökonomischen wie außerökonomischen) Einflussfaktoren und Kräften ausgerichtet ist.
Wichtige Grundfrage ist immer, was zu der im Szenario beschriebenen Situation führt bzw. geführt hat.
Zentrale Vorgehensschritte sind dann eine Vergangenheitsanalyse, die Erarbeitung längerfristiger Entwicklungsmöglichkeiten / Entwicklungsperspektiven und deren schrittweise Konkretisierung. Nutzen lassen sich dabei auch bereits vorliegende, übergeordnete Szenarien aus anderen Quellen (bspw. zur Weltwirtschaft, zur Volkswirtschaft, zur eigenen Branche, zu einzelnen Märkten, zum Kundenverhalten etc.).
Hat man ein solches Basisszenario bis auf die Ebene des eigenen Unternehmens durchdacht und konkretisiert (u.a. auch mittels ökonometrischer Modelle und softwaregestützter Modellierungen), lassen sich nachfolgend einzelne Alternativszenarien entwerfen – bspw. als „Worst-Case-Scenario“ und „Best-Case-Scenario“ oder als „Extremszenarien“ – die das zukünftige Handlungsfeld (neu) abstecken und erlauben, sich mit (neuen) eigenen Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten in einer stärker veränderten Unternehmensumwelt vertraut zu machen. Sichtbar wird in einem solchen Prozess auch, welche zukunftsrelevanten externen und internen Unternehmensinformationen bereits vorliegen, und wo noch weiterer Informationsbedarf besteht.
Die Szenarien selbst (auch die, die von radikaleren Veränderungen der relevanten Umweltgrößen ausgehen) sollten dabei möglichst vollständig (im Sinne der wichtigsten Einflussgrößen) realistisch, konkret, nachvollziehbar und anschaulich sein. Es geht nicht um „utopistische“ Entwürfe bzw. Zukunftsbilder – sehr wohl aber darum, auch mögliche tiefgreifendere Veränderungen der aktuell bestehenden Unternehmensumwelt und ihrer (oft komplexen) Wirkfaktoren in die Vorausschau der Zukunft einzubeziehen.
Als Grundlage und Startpunkt um im Unternehmen einen Nachdenk- und Dialogprozess über Zukunftsfragen in Gang zu setzen, können sowohl eigene (bereits vorliegende oder in Auftrag gegebene) als auch sekundäre zukunftsorientierte Perspektiv- bzw. Zukunftsstudien herangezogen werden. Diese gilt es dann schrittweise in ihren Auswirkungen auf das eigene Unternehmen (Konsequenzen, Simulationen, alternative Handlungsmöglichkeiten etc.) und relevante Parameter zu beziehen.
Letztlich spielen bei der am Ende des Prozesses stehenden Bewertung unterschiedlicher Szenarien – und speziell auch bei der Ableitung möglicher Konsequenzen bzw. darauf gerichtete unternehmerische Handlungsoptionen – dann auch grundlegende Unternehmenswerte und Leitlinien, die Unternehmenskultur und die Marke eine tragende Rolle. Das, was bei rein ökonomischer Betrachtung innerhalb eines bestimmten Szenarios als Handlungsoption am optimalsten bzw. profitabelsten erscheint, muss und sollte nicht in jedem Falle automatisch auch zur (als Konsequenz innerhalb eins Szenarios gedachten) Unternehmenspolitik werden. Entscheidungen müssen unter Berücksichtigung möglichst vieler (idealerweise aller) Zielperspektiven getroffen werden (die teils auch gegenläufig und daher vermittlungsbedürftig sein können).
Interne Kommunikations- und Vermittlungswege verbessern
Aufgrund der Tatsache, dass insbesondere in größeren Unternehmenskontexten nicht selten eine Neigung besteht, dass Ergebnisse zukunftsrelevanter Untersuchungen (Szenario-Analysen, zukunftsbezogene Marktforschungsstudien etc.) die Entscheider selbst nur in sehr verkürzter Berichtsform erreichen (wo dann wichtige Zusammenhänge, Hintergründe, Voraussetzungen und erkenntnisbildende Prozesse schnell wieder verloren gehen) – oder diese die Entscheider sogar gar nicht erreichen – eignen sich als Alternative und Ergänzung für eine nachhaltigere Etablierung des Denkens in Szenarien vor allem regelmäßige Workshop-Formate und „Zukunftswerkstätten“. Idealerweise in kleineren bis mittelgroßen Gruppen, an denen dann Entscheider auch unmittelbar teilnehmen können und sollten.
Vielfältiger Nutzen von Szenarien
Insgesamt fördert und stärkt das Denken in Alternativen (statt der Fokussierung auf ein einziges mögliches Zukunftsbild) und speziell das Arbeiten mit Szenarien:
- die Offenheit, immer wieder über den eigenen Tellerrand hinauszudenken,
- Bewusstsein, Wachheit und Achtsamkeit gegenüber Chancen und Risiken des eigenen Unternehmens unter sich stärker verändernden Umwelt- und Marktbedingungen,
- das frühzeitigere Erkennen von Signalen und Wendepunkten, die in bestimmte bereits vorgedachte Entwicklungsrichtungen weisen,
- die Ableitung konkreter Ziele, Strategien und Handlungsempfehlungen,
- den internen Wissenstransfer und den Austausch über verschiedene Lösungsansätze,
- das kreative und vernetzte Denken,
- die Resilienz des Unternehmens gegenüber neuen Herausforderungen und Veränderungen,
- übergreifend auch: eine (Rück-)Besinnung auf Unternehmen und deren Führungsetagen als signifikantem Ort des Entdeckens, des Lernens, der Kreativität und der Innovation.
Wichtige Rollen der Marktforschung für die Vorausschau in die Zukunft
Zentrale Rollen für die Marktforschung im Kontext des Denkens in Szenarien und Handlungsalternativen liegen insbesondere in folgenden Bereichen:
- Treiber einer regelmäßigen Beschäftigung mit der Zukunft und Impulsgeber bei der Vorgabe mutiger Szenarien – auch jenseits dessen was bisher vor- und angedacht wurde.
- Begleitung der Szenarien-Entwicklung (inhaltlich und methodisch).
- In der Praxis oft sehr wichtig und hilfreich: Überführung von bisher „nur“ qualitativ erfassten Wirkzusammenhängen in quantifizierbare Daten – die dann in quantitativen ökonomisch-kalkulatorischen Modellen genutzt werden können.
- Beschaffung von für die Szenarien-Entwicklung noch fehlender Informationen und Insights.
- Teilnahme an der fachlichen (interdisziplinären) Bewertung des Outputs einzelner Szenarien.
- Beitrag zur Vermittlung unterschiedlicher Zielebenen: Unternehmen, Kunden, Gesellschaft etc.
- Begleitung und Evaluation von sich aus bestimmten Szenarien ergebender Pilotprojekte und Feldexperimente (Aktionsforschung).
Insgesamt wichtig zu erkennen ist, dass das Denken in Alternativen bzw. in Szenarien für Unternehmen eine Dauer-Baustelle darstellt – auf der vielfältige Disziplinen arbeiten. Mit dem Ziel einer größtmöglichen Genauigkeit der Aussagen und einer größtmöglichen Bemessung der relevanten Wirkgrößen. Wichtig ist dabei immer auch, qualitative Parameter und verbundene Erkenntnisse möglichst zu quantifizieren, damit diese nicht vage bleiben oder „durchrutschen“. Ebenso wichtig ist, zu Beginn des Prozesses eine klare Strukturierung in relevanten Wirkungszusammenhängen vorzunehmen. Sinnvolle Zusammenhänge erkennt man nicht durch ein bloßes „Mehr“ an Daten und Rechenoperationen.
Schließlich gilt: Das Nachdenken über die Zukunft des eigenen Unternehmens sollte neben aller Ernsthaftigkeit auch Freude bereiten. Zukunft „hat“ man, wenn man sich diese erarbeitet. Wenn man erkennt, dass man dieser nicht nur ausgeliefert ist, sondern diese auch aktiv mitgestalten kann. Ohne Freude am ständigen Entdecken, Lernen, gedanklichen Experimentieren, am Sich Verwandeln und Sich Neuerfinden gelingt dies nicht.
Interessiert am weiteren Austausch zur Beschäftigung mit Zukunftsfragen, zum Denken in Szenarien und an zukunftsbezogener Marktforschung? Dann sprechen Sie uns gerne an.
Kontakt: Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005-12.
Weitere Blogbeiträge finden Sie auch auf den Übersichtsseiten zum Thema Innovationsmanagement, Digitalisierungsforschung und Marktforschung.
Weiterführende Literaturhinweise:
Geschka, H./Hammer, R. (2005): Die Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung. In: Hahn, D./Taylor of Mansfield, B. (Hrsg.): Strategische Unternehmungsplanung – Strategische Unternehmungsführung. Stand und Entwicklungstendenzen. Berlin, S. 464-489.
Götze, Uwe (2013): Szenario-Technik in der Strategischen Unternehmensplanung. Wiesbaden.
Koscow, Hannah, Gaßner, Robert (2008): Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung. Berlin.
Mietzner, Dana (2009): Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen. Methodenevaluation und neue Ansätze. Wiesbaden.
Popp, Reinhold (2016): Zukunftswissenschaft und Zukunftsforschung. Grundlagen und Grundfragen. Eine Skizze. Wien.
Steinmüller, Karlheinz (2012): Szenarien – Ein Methodenkomplex zwischen wissenschaftlichem Anspruch und zeitgeistiger Bricolage. In: Popp, Reinhold (Hrsg.) Zukunft und Wissenschaft. Wege und Irrwege der Zukunftsforschung. Heidelberg, S. 101-137.
Wilms, Falko E. P. (Hrsg.) (2006): Szenariotechnik. Vom Umgang mit der Zukunft. Bern, Stuttgart, Wien.
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