Damit Menschen sich im beruflichen Kontext engagieren und etwas leisten, brauchen sie Orientierung. Etwas, worauf sie ihre Kraft und Leidenschaft ausrichten können. Etwas, das Möglichkeiten zur Identifikation und Bindung bietet. Kurz: einen Sinn für ihr Tun.
Dies mag selbstverständlich klingen. Doch überlegen Sie mal: Was treibt Sie persönlich an? Welche sinnstiftenden Angebote macht Ihr Unternehmen? Wie vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern Sinn? Wie tauschen Sie sich darüber aus?
Stellt man solche Fragen, wird es oft erstmal recht still. Oder man hört Allgemeinplätze, denen die innere Kraft fehlt. Auf leuchtende Augen, auf ein Brennen für etwas, stößt man hingegen eher selten. Eine solche Ausgangslage gilt es erstmal auszuhalten, nicht gleich vor ihr zu flüchten oder diese zu überspielen. Sinnsuche, Sinnfindung und Sinnvermittlung sind keine Dinge, die sich mal eben nebenbei bewerkstelligen lassen, sie treffen einen Kern.
Warum gibt es unser Unternehmen eigentlich? In den Dienst welcher Aufgaben stelle ich mich?
Handelt es sich bloß um Selbstzweck oder geht es um etwas Größeres? Welche Werte vertritt mein Unternehmen? Stimmen diese mit meinen eigenen überein? Was ist der Sinn der Leistung, die das Unternehmen für die Kunden und die Gesellschaft erbringt? Welchen Beitrag leiste ich dabei?
Sinn fällt nicht vom Himmel
Doch wie lassen sich solche Fragen im Unternehmenskontext beantworten? Es braucht ein Leitbild, einen Wertekanon, eine Vision und eine Mission, heißt es gerne.
Das ist richtig. Bei der konkreten Suche danach tun sich viele Unternehmen und Führungskräfte aber schwer. Vor allem mit der Sinnfrage. Zu abstrakt, leblos und aufgesetzt wirken hier manche Bemühungen. So kommt es zu Leere, einem reinem Fahren auf Sicht, einem weiter so wie bisher, reiner Außenorientierung. Nicht Steigerung von Umsatz oder Gewinn, auch nicht die Sicherung des eigenen Überlebens oder die defensive Erhaltung des Status Quo, vermögen Sinn zu stiften.
„Innere Rucks“ oder Neuorientierungen bleiben aus. Mit der Konsequenz, dass Leistung und Sinn nur eine sehr lose Verbindungen eingehen. Inneres Feuer und Marschrichtungen fehlen.
Sinnleere Räume
Dabei treibt heute immer mehr Menschen die Suche nach Sinn und Orientierung an. Unternehmen könnten hier eine, auch gesamtgesellschaftlich, wichtige Aufgabe übernehmen.
Oft aber erscheinen sie mutlos, zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Leider – als wären sie ein Spiegelbild aktueller Verfassungen und „Verweilmodi“ in Wirtschaft und Gesellschaft – auch die deutsche Nationalmannschaft, die sich bei der WM in Russland in Lähmung und Kraftlosigkeit verloren hat. Es fehlte eine positiv gestimmte, verschworene Gemeinschaft, die Freude hat, an etwas Großem und Neuem mitzuwirken. Auch vielen Unternehmen geht es so. Es fehlt an Orientierung.
Derweil ziehen auf gesellschaftlicher Ebene dunkle Rattenfänger und Spalter in sinnentleerten Räumen umher und haben bisweilen leichtes Spiel. Ja, unsere offene Gesellschaft hat Feinde. Und dies umso mehr, als sie sich selbst entwertet und Sinnfragen aus dem Weg geht.
Wer macht den ersten Schritt?
Es muss etwas geschehen. Sich weiter etwas vormachen, gilt nicht mehr. Das führt zum Abstieg. Zur Aushöhlung. Zuschauen, Verwalten, Kommentieren und Klagen sind eine Sackgasse. Auch in der Wirtschaft, in den Unternehmen. Viel mehr als einen Wechsel von Personen braucht es neuen Wagemut, einen Wandel des Denkens und das Wiedergewinnen von Leidenschaft.
Doch wer hat den Mut, sich zu bewegen? Etwas zu bewegen und Neues auszuprobieren.
Positive Bilder der Zukunft zu entwickeln und ehrgeizige Ziele auszurufen.
Das würde Sinn machen, Leistungen bündeln und Menschen für eine gemeinsame Sache zusammenbringen.
Ohne Sinn gelingt kein Weg in die Zukunft
Wer Leistung fordert, muss Sinnangebote machen. Und darüber in den Dialog treten.
Muss diesen Sinn in sich selbst spüren, authentisch und begeisternd vermitteln können. Müsste neue Narrative schaffen und in einen stärkeren Austausch mit sich und seinen Mitarbeitern treten. Nicht mit Allgemeinplätzen, sondern mit Blick auf das eigene Hier und Jetzt und die angestrebten Entwicklungen. Muss tatkräftig voran gehen, Fragen, Zweifel und auch Widerstände aushalten. Auch unterschiedliche Sinnentwürfe und Sinnmöglichkeiten integrieren können. Sonst bleibt es allenfalls bei blutleeren Routinen oder reinem Selbstbezug bzw. einer Überwertigkeit dessen, was sich heute „Selbstverwirklichung“ nennt.
Das hat auch der 1997 verstorbene Wiener Psychiater und Existenzanalytiker Viktor Frankl erkannt. Sein Leben lang hat er sich mit Sinnfragen in individuellen und sozialen Kontexten beschäftigt. Im Gegensatz zu seinen Eltern, seinem Bruder und seiner ersten Frau hat er als Mensch jüdischen Glaubens den Horror diverser Konzentrationslager überlebt. Dennoch hat er „Ja“ zum Leben, zur Gesellschaft und zur Zukunft gesagt. Eine fast übermenschliche Leistung.
Sinnkrisen als Chance
Die positive Botschaft lautet: Sinnkrisen bieten eine große Chance. Wenn man sie denn nutzt und das Leiden daran zulässt. Erst so kann schrittweise neue Energie geschöpft werden und Neues ins Werk gesetzt werden. Es scheint an der Zeit, dass sich etwas dreht und befreit. Dass der „Dienst an einer Sache“ wieder in den Vordergrund rückt, reiner Selbstzweck und bloße Selbstbeschau transzendiert werden. „Stille Revolution“ nennen manche, was sich derzeit in Unternehmen vollzieht, die begonnen haben Sinnleere und Lähmung zu überwinden.
Allem Anfang wohnt bekanntlich ein neuer Zauber inne.
Es lohnt sich in Unternehmen, damit auch im Kleinen anzufangen, zugleich nicht dabei stehen zu bleiben. Damit zukünftig wieder Größeres unternommen werden und entstehen kann. Etwas, an dessen Realisierung sich viele Menschen als „Mitunternehmer“ mit ihren Leistungen beteiligen können und wollen.
In welcher Form sich Unternehmen Sinnfragen zuwenden – ob zunächst einmal im Topmanagement oder von unten beginnend, in der Führungskräfteausbildung, in regelmäßigen Open Space Veranstaltungen, in Workshops oder auch in informelleren Begegnungsräumen, die internes Sinnsuchen und Sinnfinden anregen – erscheint dabei zunächst einmal sekundär.
Es gibt es viele Möglichkeiten, die passend zum eigenen Unternehmen und passend zum internen Stand der Beschäftigung mit Sinnfragen ausgewählt werden sollten, wo sinnvoll auch mit Unterstützung von Moderatoren und Beratern.
„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“
(Friedrich Nietzsche)
Wichtig ist, die Mitarbeiter in sinnbezogene Findungs- und Führungsprozesse ausreichend einzubeziehen, mehr noch auf deren aktive Mitwirkung zu vertrauen. Gefragt sind Mut und Entschiedenheit (die Beschäftigung mit Sinnfragen kann vieles verändern…), ebenso aber auch Gelassenheit. Die auf dem Weg der Findung neu entstehende Energie, Zuversicht und Freude trägt.
Fazit
Unternehmen und Menschen brauchen Sinn. Zumal in einer hochdynamischen und komplexen Welt „Know How“ allein nicht ausreicht. Es geht um das „Know Why“ – Ein Warum, wofür es sich zu leisten und etwas zu bewirken lohnt.
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