Alle wollen heute agil sein – nur Wenigen gelingt das auch

Mrz 21, 2019

Alle wollen heute agil sein – nur Wenigen gelingt das auch

Fast jedes Unternehmen will schneller, flexibler, aktiver, vorausschauender…, kurz: „agiler“ werden. So will man zukünftig besser auf Veränderungen und Wandel eingestellt sein, kundenorientierter und innovativer werden. Doch mit dem Verschicken neuer Leitlinien an die Mitarbeiter, der Erfindung markiger Slogans oder dem Abdruck angestrebter Neuausrichtungen im Geschäftsbericht ist es nicht getan. So findet man keinen Eingang in den betrieblichen Alltag, schafft keine neue „Kultur“.

Vor lauter Agilitätsrummel fragt man sich zunächst einmal: Was wurde denn bisher in den Unternehmen gemacht? Geschlafen, nur verwaltet, Komfortzonen gepflegt, die Hände in den Schoß gelegt? Ist agil zu sein nicht eigentlich ein natürlicher Wesenszug des Unternehmerischen, ja des Lebens überhaupt? Braucht es hier aufgepfropft wirkender Initiativen und Verlautbarungen?
Sind diese am Ende nur kaschierende Symbolpolitik? Ist die Welt über Nacht plötzlich „VUCA“ geworden? Offenbar ja – zumindest in der Wahrnehmung von aus dem (Tag-)Schlaf Gerissener.

Fest steht: Agilität als Managementprinzip erfordert ein radikaleres Umdenken und auch eine neue Beteiligungs- und Fehlerkultur in Unternehmen. Nur dann traut man sich, auch wirklich mal etwas Neues auszuprobieren, bleibt nicht in bisherigen Strukturen und Prozessen gefangen. Das lässt sich freilich nicht verordnen und auch nicht von außen installieren, auch nicht durch Du-Kultur, so genannte „flache Hierarchien“, Großraumbüros, in denen auch der Chef mit sitzt, rotierende Vorstände, gemütliche Cafeteria-Meeting-Points oder durch Aufkaufen von Start-ups. Weit mehr geht es um den Geist und Stil Kultur des eigenen Hauses, die Kultur, die in den Stuben, Fluren, Köpfen und Herzen weht.

Umgang mit Fehlern und Scheitern kultivieren

Entscheiden in Unsicherheit und Ungewissheit, souverän mit Fehlern, holprigen Wegen und Scheitern umgehen – all das müssen Unternehmen – und allen voran ihre Führungskräfte – erst noch lernen und zugleich dabei unterstützt werden. Dafür braucht es Mut, Risikobereitschaft, Handlungs- und Entscheidungswillen – sonst bleibt alles agilitätsorientierte Reden und Tun nur ein Mäntelchen oder bloßer Aktionismus. „Bewusste Experimente“ können nur so zu Strategien werden, „Fail-fast-Try-again“ zu einer Methode werden und nicht Makel bleiben. Der US-amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison hat es auf seinem bewegten Lebensweg einmal so gesagt: „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1.000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.“
Eine bemerkenswerte Erkenntnis, zu der auch viele seiner Assistenten beigetragen haben.
Agile Prozesse sind von Anfang an iterativ angelegt, als Näherungsverfahren: Im Vordergrund steht die schrittweise Lösung von Problemen – nicht der Plan bzw. die Planerfüllung. Ein Problem oder auch eine Vision vor Augen, macht sich Schritt für Schritt auf den Weg. Das ist keine Spielerei: Knallharte Priorisierungen, lokale /dezentrale Entscheidungskompetenzen bzw. Befugnisse und Lean Management („Fail cheap“) zählen mit dazu.

Wie funktioniert Agilität im Unternehmen?

Bildlich vereinfacht könnte man es so ausdrücken: Arbeit in Hierarchien funktioniert wie ein Weg mit vielen Ampelkreuzungen: Man kommt an die Ampel und muss jeweils warten bis sie grün ist – bis der Chef entschieden hat – bevor es weitergeht. In agil ausgerichteten Unternehmen wird mit Regeln gearbeitet. Arbeit funktioniert hier wie ein Kreisverkehr: Man kennt die Regeln (hier: Vorfahrtsregeln), reagiert auf jeweils aktuelle Umstände. Wenn frei ist, kann man fahren. So ist ein kontinuierlicher Durchfluss gewährleistet, die Kreuzung ist in ihrem Kern auch nie leer. Eine der größten Kreuzungen Europas – am Arc de Triomphe in Paris – ist übrigens ein Kreisverkehr, er hat sich als weit effektiver als andere Lösungen erwiesen. Freilich gibt es auch Umstände, in denen eine Ampel sinnvoll ist, genauso ist es mit Hierarchien, zentraler Führung und „letzten Entscheidungsinstanzen“.

Den eigenen Weg finden

Unternehmen finden oft eigene Wege, um agiles Arbeiten zu implementieren – auch fernab der Flut angeblich heilsbringender Methoden (Scrum, Design Thinking etc.) und verbundener Ratgeber und Trainer, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Das ist auch gut so.

Grundsätzlich geht es um höhere lokale Autonomie, stärkere Vernetzung und Zusammenarbeit,
„Never Sleep – Work in Progress“ mit sinnvollen Regeln, Maßnahmen und Tools – und vor allem eine Steuerung über Visionen und konsequente, situativ passende Lösungsorientierung. Qualitätsorientierung und Fehlervermeidung werden dabei nicht grundsätzlich ausgehebelt, gewinnen aber einen anderen, in der Gesamtbewegung fluider mitlaufenden statt blockierenden Stellenwert.
Besonders in Deutschland fällt solche Denke aber schwer. Wir wollen keine Fehler machen.
Made in Germany ist ein Qualitätsgarant. Mit dieser Einstellung bleibt aber wenig Platz für Fehler. Neues und Offenes macht zudem mehr Angst als es Neugier weckt und Bewegung auslöst.
Ganz anders als beispielsweise in Amerika. Dort gilt als echter „Business Man“ nur, wer auf seinem Weg mindestens einmal Pleite gegangen ist.

Wer nicht auch Fehlschläge in Kaufe nehmen will – und dann natürlich schnell daraus lernt – kann nicht wirklich agil sein. Agil sein, heißt Risiken eingehen, sich nicht an Vergangenheit und schon Bestehendes zu klammern, „on the fly“ zu sein. Es geht hier nicht darum, in den Rückspiegel zu schauen, sondern in die Zukunft. Agilität ist letztlich eine Haltung, eine Einstellung zur Welt. Überlegen Sie selbst einmal:
Wie viel Freiraum haben Sie selbst in Ihrem Unternehmen? Wie oft kommen Sie an rote Ampeln, wie lange warten Sie dort? Wie viele Handlungsspielräume und Entscheidungsfreiheiten geben Sie Ihren eigenen Mitarbeitern? Wie mutig sind Sie und Ihr Unternehmen, wie zukunftsorientiert?

Kleine Schritte statt große Bekundungen

Grundsätzlich erscheint es von Vorteil, das Thema „Agilität“ – und damit verbunden auch das Thema Innovation – selbst auch agil anzugehen. Wichtiger als ein naiver Glaube an radikale kulturelle Veränderungen – diese gelingen in der Realität nur sehr selten und müssen zudem mit mächtigen internen Gegenspielern rechnen – ist es wichtig fortwährend in kleinen Schritten voranzugehen – der eine schneller, der andere auch etwas langsamer. Agil zu sein, lässt sich nicht „machen“, sondern nur zulassen und fördern, mögliches Scheitern nicht per se verhindern, sondern nur erleiden und als Entwicklungs- und Wachstumstreiber nutzen. Erfolg nicht erzwingen, sondern nur erhoffen und ermöglichen. Wer das nicht akzeptiert und lebt, kann allenfalls über Agilität reden oder Methoden allenfalls technokratisch anwenden. Man müsste, könnte, sollte…

Als Prinzipien sind daher wichtig: Mutigen Anfang machen, Verschiedenes ausprobieren, was funktioniert weitertreiben, was nicht passt, anpassen… etc.; das Ganze in zeitnahen dynamischen Feedback-Action-Feedback-Action-Schleifen rückgekoppelt. Auch die Marktforschung – so sie denn selbst agil aufgestellt ist und agil mitdenkt – kann dabei sehr wertvolle Dienste leisten. Das Prinzip „Fail fast“ erfordert beispielsweise, schnelles Feedback zu geben, Ideen zeitnah und kontinuierlich zu testen, zugleich zu monitoren, um erfolgreiche Ansätze zu vertiefen, Irrwege und Sackgassen zügig zu verlassen. „Fail cheap“ erfordert bereits im Entwicklungsvorfeld, Potenzialanalysen durchzuführen und Kundenfeedbacks einzuholen. „Try again“ bedeutet mit den Kunden in ständigen Dialog zu bleiben, diese aktiv in die Generierung neuer Ideen einzubeziehen. Generell wächst auch der Stellenwert von Fragen, auf die es zunächst keine einfachen Antworten gibt; von Lösungen, die nicht für die Ewigkeit bestimmt sind und dennoch in der jeweils aktuellen Lage gutes Handeln ermöglichen.

Mehr Mut, mehr Willen zeigen!

Nach Jahren großen managementmedialen Rummels um das Thema „Agilität“ lohnt eine kurze Bestandsaufnahme: Was ist in puncto „Agilität“ im eigenen Unternehmen tatsächlich passiert? Was hat sich konkret verändert, was hat gefruchtet, was ist gescheitert? Was hat sich auf Kundenseite getan? Wie wollen wir unsere Kultur im Umgang mit Wandel ab morgen weiter entwickeln?
Je nachdem, wie das eigene Zwischenfazit ausfällt, gilt es entweder endlich damit anzufangen, Stillstand in Bewegung zu überführen, bisher nur Pilotiertes weiter auszurollen, bereits gezeigten Mut weiter auszubauen oder schon erworbene Exzellenz souverän fortzuführen.

Es lohnt sich, agil zu sein bzw. zu werden, in einer Welt, die sich bewegt und verändert – nebenbei: Dies immer schon getan hat. Darüber zu klagen oder dies rigide zu leugnen, ist jedenfalls keine Lösung. Weder für Ihr Unternehmen noch für Ihre Kunden. Werden oder bleiben Sie mutig!

 

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