Von der Kundenliebe und anderen „komischen“ Dingen

Jun 05, 2018

Von der Kundenliebe und anderen „komischen“ Dingen

„Wir lieben unsere Kunden“, sagen viele Unternehmen. Das klingt schön.
Doch sind Unternehmen überhaupt zur Liebe fähig? Sind sie dafür ausgerüstet? Haben sie ein Herz? Oder spiegelt sich in diesem großen Versprechen bloß der Wunsch, von den Kunden selbst geliebt zu werden? Devise: Ich liebe Dich, weil ich von Dir geliebt werden will. Wir lieben Dich, weil oder wenn Du uns liebst. Dabei kennt Liebe doch eigentlich gar keine Bedingungen. Verlangt und erwartet nichts. Freut sich am Dasein und Sosein des Anderen. Ziele, Nutzen, Verkauf, Profit sind der Liebe fremd.

Liebe kann man auch nicht machen oder managen. Sie kann sich zeigen, offenbaren, zugelassen, ersehnt, bisweilen auch erlitten werden. Wie alle menschlichen Beziehungsformen aber niemals gemacht werden. Liebende lieben, Manager machen. Dies ist kein moralisches Urteil. Unternehmen sind nicht für die Liebe gemacht. Es ist auch nicht ihre Verpflichtung, Kunden zu lieben. Liebe kennt keine Pflicht.

Und dennoch: Es lohnt sich für Unternehmen, das „Bild der Kundenliebe“ einmal zum Ausgangspunkt zu nehmen – die Qualität der Beziehungen zu den eigenen Kunden genauer zu beleuchten, eigene Haltungen zu überprüfen, Spielräume für Neues zu entdecken. Bisher geschieht dies leider viel zu selten.

Manche sagen es klar: Kunden erfahren heute von den Unternehmen zu wenig Liebe.
Sie verschaffen sich dann über soziale Medien die gewünschte Beachtung und Aufmerksamkeit. Wischen Unternehmen dort einfach mal richtig eins aus. Weil sie sich ungeliebt, enttäuscht oder betrogen fühlen.

Im Unternehmen nach der Liebe suchen
Es ist für Unternehmen daher wichtig, Fragen zu stellen: Wie sehen unsere Kundenbeziehungen aus? Wo kommt der Kunde im Unternehmen vor? Welches Bild von den Kunden haben wir?
Welche Grundhaltungen und Selbstbilder leiten uns? Wie gehen wir konkret mit Kunden um? Werden eigene Beziehungsversprechen spürbar mit Leben gefüllt?
Wie verhält es sich mit Nähe und Distanz, Offenheit und Verschlossenheit, Vertrauen und Misstrauen in den Kundenbeziehungen? Wie steht dies mit Erfolg und Misserfolg, Gelingen und Scheitern in Zusammenhang? Was unterscheidet die Qualität unserer Kundenbeziehungen von denen anderer Unternehmen? Was könnte Kunden traurig werden lassen, wenn es das eigene Unternehmen nicht mehr gäbe? Wie können wir Kundenbeziehungen aus Erstarrungen oder weitgehender Beziehungslosigkeit lösen, neues Feuer entfachen? Haben unsere Vertriebsleute ausreichend Zeit, sich kundengerecht zu verhalten? Wer kümmert sich im Unternehmen ganz konkret um den Aufbau und die Pflege vertrauensvoller und begeisterter Kundenbeziehungen? Wo ist Raum für Liebevolles?

Elementare Fragen, bei denen es durchaus ans Eingemachte gehen kann. Doch zu Innovation und Wandel in Kundenbeziehungen kommt nur, wer bereit ist, Bestehendes und auch mancherlei selbstgefällige Illusion einmal in Frage zu stellen. Unternehmen müssen nicht unbedingt liebesfähig sein, zumindest aber beziehungsfähig. Dafür braucht man Menschen und deren Kompetenz zur Gestaltung tragfähiger Beziehungen. Und auch ein gutes Stück liebevoller Zuwendung. Wer nicht an seiner Beziehungsfähigkeit arbeitet, wird auf Dauer das Nachsehen haben. Seelenlose Organisationen haben es schwer – nach außen wie auch nach innen.

 

Den Kunden mehr Liebe zeigen
Doch worin könnte sich Kundenliebe ausdrücken? Beispielsweise darin, dass Unternehmen ihre Kunden stärker spüren lassen, wie wertvoll sie ihnen sind. Ihnen aufmerksamer zuhören, sie ernst nehmen mit ihren Wünschen, Fragen, Sorgen und Ängsten. Ihnen spontan und ungefragt mal eine Freude bereiten. Nicht nur die eigene Brille auf haben, im Handeln nicht nur an sich selbst denken. Mehr als Funktionsautomaten sind. Den Dialog mit den Kunden aktiv suchen, sich diesem auch in kritischen Situationen stellen. Bereit sind, sich zu verändern. Liebe nicht instrumentalisieren.

Und worin zeigt sich fehlende Kundenliebe? Beispielsweise darin, dass Kunden als störend erlebt werden. Mit Dauer der Kundenbeziehungen die Servicequalität nachlässt. Kundenwünsche oder Kritik ignoriert werden. Kunden manipuliert werden und Kundenvertrauen schamlos ausgenutzt wird. Qualitätsmängel oder Fehler verschwiegen oder vertuscht werden. Kunden in endlosen Warteschleifen festhängen. Bestandskunden gegenüber Neukunden (den „neuen Geliebten“) das Nachsehen haben. Nutzerdaten ohne Transparenz in Wild-West-Manier gesammelt werden.
Kunden technisch verwaltet, statt lebendige Kundenbeziehungen gestaltet werden.
Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. All dies verträgt sich nicht ansatzweise mit „Kundenliebe“ – selbst wenn man die Messlatte dafür nicht allzu hoch hängt. Und es lohnt sich durchaus, auch einmal zu überlegen, was das eigene Unternehmen möglicherweise dazu beiträgt, dass Kunden und Konsumenten in der heutigen Zeit zunehmend kritisch und misstrauisch geworden sind.
Erst eine liebevollere Grundhaltung hilft, dies und die zahlreichen negativen Konsequenzen zu überwinden. Es gilt, weniger von Liebe zu sprechen, als diese zu zeigen. Dazu braucht es eine entsprechende Kultur im Unternehmen.

In der Liebe Neues ausprobieren
Unternehmen sollten in ihren Beziehungen zu den Kunden mehr Neues ausprobieren, experimentieren. Als selbstverständlich oder normal geltende Muster durchbrechen. Verschwenderischer sein, wenn es um Menschen geht. Jedes Unternehmen hat hierzu seine eigenen Möglichkeiten, Wege und Spielräume. Nur so kann schrittweise eine liebevollere Kundenbeziehungskultur entstehen.
Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal aktiv mit den Kunden Begegnung und Austausch gesucht? Liebevoll an die Kunden gedacht? Kunden positiv überrascht? Ihnen etwas geschenkt? Fangen Sie heute einfach damit an, es lohnt, befreit, macht kreativ, schafft neue Verbindungen. Bringt zudem mehr Spaß und Begeisterung in Ihre Arbeit. Wer lieben kann, zu lieben lernt, ist reich beschenkt.

Daten gelten als der Rohstoff des 21. Jahrhunderts, als neues Gold in der sich digitalisierenden Ökonomie. Schon heute ist erkennbar: Vertrauen wird deren Leitwährung sein.
Dies entsteht nur in lebendigen Beziehungen. Mit einer Grundhaltung, die sich dem nähert,
das man gewöhnlich Liebe nennt.

 

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