Führungskräftebefragungen: Perspektivenwechsel fördern die Unternehmensentwicklung

Führungskräftebefragungen
Mrz 31, 2023

Führungskräftebefragungen: Perspektivenwechsel fördern die Unternehmensentwicklung

Führungskräftebefragungen sind in Unternehmen in der Regel weit weniger verbreitet als klassische Mitarbeiterbefragungen. Angesichts der unternehmerischen und organisationalen Relevanz des Führungspersonals – über die sich im Detail sicher trefflich streiten lässt – darf dies überraschen, erscheint sogar paradox. Doch warum ist dem so? Und: Welche Potenziale werden durch den Verzicht auf die systematische Befragung von Führungskräften verspielt?

Zunächst einmal zur Einordnung: Beschäftigte mit Führungsfunktionen werden im Rahmen klassischer Mitarbeiterbefragungen oder auch stärker an aktuellen Entwicklungserfordernissen ausgerichteten Prozess- und Fokusbefragungen mitbefragt (bevorzugt Führungskräfte im mittleren Management). Die Ergebnisse werden meist auch differenziert für leitende Angestellte ausgewiesen.
Selbst zu Wort kommen Führungskräfte – neben ihren Mitarbeitenden – auch im Rahmen verschiedener Beurteilungs- und Feedbacksysteme. Beispielsweise wenn es darum geht, Selbstbilder mit internen wie externen Fremdbildern zu vergleichen oder spezielle, für die Mitarbeiterführung relevante Potenziale und Entwicklungserfordernisse zu erkennen.

All dies macht auch Sinn, liefert wertvolle Erkenntnisse und schafft wichtige organisationale Entwicklungsgrundlagen – sofern die Ergebnisse im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung auch tatsächlich genutzt werden. Mehr noch: Die Nicht-Nutzung solcher klassischen Instrumente unternehmensspezifischer Organisationsforschung und darauf fußender Entwicklungsmaßnahmen führt schnell dazu, dass sich die Mitarbeitenden nicht ausreichend beachtet, gehört, verstanden, einbezogen und mitgenommen fühlen.

Doch zurück zum Ausgangspunkt: dem erkennbaren organisationalen Mangel an Führungskräftebefragungen, die speziell auf Führungskräfte ausgerichtet sind und Führung stärker auch aus managerialer und gesamtunternehmerischer Perspektive beleuchten.

 

Perspektiven auf Führung erweitern

In der Unternehmenspraxis zeigt sich im Bereich der Führungskräftebefragungen oft eine wichtige perspektivische Lücke: Führung wird inhaltlich weit mehr aus Sicht der Mitarbeitenden als „Geführten“ beleuchtet als aus spezifischer und unmittelbarer Sicht der Führenden selbst.
Ansätze und Ergebnisse hierzu findet man zwar in nicht unternehmensspezifischen Studien, in denen Führungskräfte zu diversen führungsrelevanten Themen befragt werden. Deutlich seltener jedoch auch unternehmensintern.

So lässt sich beispielsweise aus der aktuellen „Führungskräftebefragung 2022“ der Wertekommission und des Institute for LifeLong Learning
der Technischen Universität München ablesen: Mut und Optimismus haben unter Führungskräften hierzulande einen spürbaren Nachhol- bzw. Entwicklungsbedarf. Als Werte, als Resilienzfaktoren und als motivierende Kraft.

Solcherlei, oder auch andere wichtige allgemeine Befunde zu Führungskräften, werfen – eine ausreichende organisationale Offenheit vorausgesetzt – zwangsläufig die Frage auf:

Wie sieht es denn damit bei den Führungskräften im eigenen Unternehmen aus? Mit dem Mut, mit dem Optimismus? Und auch mit zahlreichen weiteren aus Unternehmenssicht als erfolgskritisch und zukunftsrelevant einzuschätzender Kriterien (etwa Veränderungsbereitschaft, Flexibilität, Innovationskraft der Führungskräfte oder auch relevante Einstellungen zu unternehmensrelevanten Zielen und Strategien).

Nur wenige Unternehmen könnten hierauf wohl fundierte Antworten geben. Denn im Rahmen üblicher, primär mitarbeiterbefragungsbasierter Instrumente findet Führung zwar aus externer Betroffenenperspektive durchaus inhaltlichen Niederschlag – dies aber nur selten substantiell und dezidiert aus der Führungsperspektive selbst, wie auch aus primär gesamtunternehmerischer Sicht.

Das heißt aber auch: Wird diese Perspektivenlücke nicht aktiv geschlossen, bleibt das Handeln und Erleben der Führungskräfte selbst (als eigenständige Handlungssubjekte) in unternehmerischer Perspektive weiterhin unterbelichtet, rudimentär und im Nebulösen. Notwendigen und erstrebenswerten Entwicklungen damit aber auch verschlossen.

Kurz: Führung allein aus der Mitarbeiterperspektive (Betroffenenperspektive) zu betrachten
reicht nicht aus, da so wichtige unternehmerische Perspektiven, Ziele und Potenziale unberücksichtigt bleiben.

 

Mutlose Manager machen mutlose Mitarbeiter

Dies kann durchaus ernste Konsequenzen haben. Um beim Beispiel unternehmerischer „Mut“ von Führungskräften zu bleiben: Empirisch recht gut belegt ist beispielsweise, dass „mutlose Manager“ weniger unternehmerischen Weitblick zeigen, zugleich auch mutlose Mitarbeiter produzieren und bevorzugt auch mutlose Mitarbeiter einstellen (Adverse Selection). Ohne Mut bleibt das Managen aber nur ein Verwalten des Bestehenden. Mehr routinehaft als – zumindest auch – entwicklungs-, innovations- und zukunftsorientiert.

Um hier Missverständnissen vorzubeugen: Es geht im Management nicht darum, Mut bloß zu inszenieren oder verantwortungslos „draufgängerisch“ zu sein. Vielmehr geht es um wichtigen unternehmensrelevanten Mut, der es ermöglicht, couragiert mit Unerwartetem und Ungewissem umzugehen, Chancen im Markt frühzeitig zu ergreifen und wo erforderlich auch mal unangenehme Entscheidungen zu treffen. Außerdem geht es darum, Vertrauen aufzubauen, zu delegieren, Kontrollneigungen zu überprüfen, Fehler zuzulassen und vom Prinzip der Null-Fehler-Toleranz abzurücken. Ein mutiger Führungsstil ermutigt auch andere, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Ohne Mut und Risikobereitschaft, sich verletzbar zu machen, kann Vertrauen nicht entstehen. Zugleich ist wichtig zu beachten, dass Mut nicht in allen Unternehmensbereichen gleichermaßen gefragt ist.

Ähnliches ließe sich zum Thema unternehmerischer „Optimismus“ von Führungskräften (oder auch zu deren unternehmerischer Veränderungsbereitschaft, Innovationsfreude, Flexibilität etc.) sagen und jeweils damit verbundener Handlungsimplikationen, die weit über die reine Mitarbeiterführung hinausgehen. Auch hierzu liegen Ergebnisse meist nur aus verallgemeinernden Führungskräftestudien vor und selten aus spezifischen Befragungen aus den Unternehmen selbst.
Damit bleiben diese weitgehend einer systematischeren unternehmensinternen Betrachtung und insbesondere auch Entwicklung verschlossen. Auch das Thema „Führung der Führenden“ (Wechselspiel unterschiedlicher Managementebenen) wird häufig noch vernachlässigt.

Soll dies nicht so bleiben, dann lohnt es, die für das eigene Unternehmen und dessen Zukunftsfähigkeit
als besonders bedeutsam erachteten Erfolgstreiber und Hürden auf Führungsebene zu identifizieren und stärker auch aus der Perspektive des Gesamtunternehmens zu beleuchten (= nicht allein aus funktionaler Mitarbeiterperspektive / Betroffenenperspektive). Nur so lassen sich durch gezielte interne Führungskräftebefragungen entwicklungs- und zukunftsrelevante Inhalte systematisch und fortschrittsorientiert thematisieren.

Unspezifische Führungskräftemeetings, in denen strategisch relevante Führungsinhalte allenfalls „angeschnitten“, oft aber auch dem Alltagsgeschäft und betrieblichen Routinen gänzlich zum Opfer fallen, reichen hierfür als Forum in aller Regel nicht aus.

Kurz: Es gibt reichlich gute Gründe, warum es sinnvoll sein kann, Führungskräfte jenseits von klassischen Mitarbeiterbefragungen gesondert zu befragen:

  • Unterschiedliche Perspektiven: Führungskräfte haben oft eine andere Perspektive als Mitarbeitende und eine stärkere Gesamtsicht auf das Unternehmen. Daher können sie oft ein umfassenderes Feedback geben, das inhaltlich weit über die Befragungsinhalte klassischer Mitarbeiterbefragungen hinausreicht.
  • Verantwortung: Führungskräfte tragen im Berufsalltag eine höhere Verantwortung für den Erfolg des Unternehmens. Sie müssen Entscheidungen treffen, die Auswirkungen sowohl auf das Unternehmen als auch auf die Mitarbeitenden haben. Es ist daher wichtig ihr Feedback zu erhalten, um sicherzustellen, dass sowohl die Bedürfnisse und Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie auch die Ziele und Interessen des Unternehmens bestmöglich berücksichtigt und integriert werden (Stichwort: „Sandwich-Position“ von Führungskräften). Dies ist selten konfliktfrei. Umso wichtiger ist es, Führungskräften zuzuhören, um Lösungen zu finden, die für beide Seiten konstruktiv und tragfähig sind.
  • Führungskräfteentwicklung: Durch die spezifische Befragung von Führungskräften können relevante Entwicklungsbedarfe erkannt werden. Dies gilt sowohl für gesamtunternehmerisch relevante Themen (etwa die Vermittlung von Strategien oder die Kommunikation von Veränderungsthemen) wie auch für Fragen der unmittelbaren Mitarbeiterführung. Auf dieser Basis können dann gezielte Schulungen oder Coaching-Maßnahmen eingeleitet werden.
  • Offene Kommunikation: Eine separate Befragung von Führungskräften kann dazu beitragen, eine offene Kommunikationskultur im Unternehmen zu fördern. Wenn Führungskräfte das Gefühl haben, dass (auch) ihre Meinung gehört wird und sie in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, können diese sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren. Und ihre eigenen Mitarbeitenden dann auch besser und zielgerichteter führen.

Separate Führungskräftebefragungen können im Unternehmen insgesamt dazu beitragen, ein umfassenderes und vollständigeres Bild des Status Quo in erfolgskritischen und zukunftsrelevanten Themenfeldern zu erhalten. Und nachfolgend gezielte Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen.

 

Instrumentenentwicklung bei Führungskräftebefragungen sollte unternehmensspezifisch erfolgen

Die Auswahl relevanter Themen und Inhalte für interne Führungskräftebefragungen sollte sich dabei nicht an allgemeinen Fragekatalogen bzw. pauschal als bedeutsam und zukunftsrelevant erachteten „Managerqualitäten“ orientieren. Vielmehr geht es darum, diese spezifisch für das eigene Unternehmen und dessen aktuellen und längerfristigen übergreifenden Zielen, Anforderungen und Potenzialen zu bestimmen; und in geeignete professionelle Befragungsinstrumentarien umzusetzen (neben initialer breiterer Bestandsaufnahme empfehlen sich hier auch kürzere Monitoring-Konzepte mit wechselnden anforderungsrelevanten Themenfoki).

Bei der Entwicklung empfiehlt sich – wie auch im Rahmen anderer Befragungsinstrumente im Unternehmen – von Beginn an zudem eine umfänglich transparente interne Kommunikation und ein partizipativer Entwicklungsansatz jenseits von Bewertung und Kontrolle. Nur so lassen sich Ziele und Chancen herausstellen, Akzeptanz und Identifikation stiften, mögliche Ängste, Befürchtungen und Vorurteile ansprechen und frühzeitig ausräumen. Kurz: Erforderlich ist dafür im Unternehmen ein engagiertes organisationales Steuerteam (üblicherweise auch mit Unterstützung durch erfahrene und unabhängige externe Experten). Und ein Mindestmaß an Bereitschaft zu selbstkritischer Auseinandersetzung und Entwicklungsfreude. Dafür wird man aber auch reich belohnt:

Die gewonnenen Erkenntnisse spezifischer Führungskräftebefragungen (= die nicht ausschließlich auf Mitarbeiterführung abzielen, sondern auch andere relevante Themen, wie die Unternehmensstrategie, den Markt und die Kunden umfassen sollten) können in vielfältiger Weise genutzt werden: In der unmittelbaren Führungskräfteentwicklung, in der strategischen Ausrichtung der Führung, in der gesamtorganisationalen Kulturentwicklung, und – mit Blick auf neue Führungskräfte – nicht zuletzt auch im (externen wie auch internen) Recruiting. Idealerweise werden diese Bereiche integriert und ziehen inhaltlich an einem Strang.

Mut und Optimismus sind daher auch bei der internen Etablierung von Führungskräftebefragungen gefragt. Leider werden solche Befragungen häufig noch immer vernachlässigt oder sogar tabuisiert, da es offenbar einfacher und bequemer erscheint, führungsrelevante Aspekte im Unklaren zu belassen. Scheinargumente, wie etwa die Zeitknappheit von Führungskräften, werden oft als Entschuldigung genutzt. Allerdings führt dies dazu, dass strategisch wichtige Themen in Unternehmen nicht angemessen behandelt werden können. In einer dynamischen Welt, in der es ständig darauf ankommt, neue Fragen zu beantworten, Risiken aktiv zu bewältigen und Chancen mutig zu ergreifen, erscheint dies nicht nur paradox, sondern auch unverantwortlich.

Schließlich haben Führungskräfte die Verantwortung, diese Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen. Dafür benötigen Führungskräfte (nicht nur im Top-Management) eine hörbare, eigenständige und anforderungsspezifische Stimme innerhalb des Unternehmens – ebenso wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Führungsfunktion.

Überlegen Sie selbst einmal, ganz unabhängig davon ob und welche Führungsfunktion(en) Sie selbst bekleiden:

  • In welcher Weise sind Führungskräftebefragungen bisher in Ihrem Unternehmen etabliert? Rein als Gruppendifferenzierung im Rahmen allgemeiner Mitarbeiterbefragungen?
    Als Führungskräfte-Feedback? Oder auch als eigenständiges, speziell führungskräftespezifisches und dezidiert führungsthematisches Instrumentarium?
  • Wie ist Ihre bisherige Erfahrung mit existierenden organisationalen Forschungs- und Entwicklungsinstrumenten? Sind die Instrumente bereits ausgereift? Werden diese konstruktiv genutzt?
  • Sind diese ausreichend führungsspezifisch (nicht allein mitarbeiterspezifisch)?
  • Welche inhaltlichen Kerndimensionen und welche konkreten Einzelfaktoren sollten auf Führungsebene aus Ihrer Sicht in Ihrem Unternehmen genauer unter die Lupe genommen werden?
  • Wo gibt es – jenseits des Themas Mitarbeiterführung – aus Ihrer Sicht in Ihrem Unternehmen im Führungsbereich aktuell die größten brachliegenden Potenziale und Chancen?
  • Welche Bedenken und Barrieren gibt es in Ihrem Unternehmen möglicherweise gegenüber der systematischen Befragung von Führungskräften? Woraus speisen sich diese? Wie könnten diese konstruktiv und positiv entwicklungsorientiert überwunden werden?
  • Wer könnte in Ihrem Unternehmen Anstoßgeber und Unterstützer für eine stärkere, systematischere und nachhaltigere Nutzung von Führungskräftebefragungen im Unternehmen sein? Wessen Commitment wäre gefordert? Wer sollte im organisationalen Steuerungsteam vertreten sein?
  • Erweiternd: Welche bisher möglicherweise noch ungenutzten inhaltlichen Verknüpfungen und Synergien sehen Sie zwischen Mitarbeiterbefragungen und Führungskräftebefragungen in Ihrem Unternehmen? Und welche zwischen externen Kundenbefragungen und internen Mitarbeiter- und Führungskräftebefragungen?

 

Kontakt aufnehmen und austauschen

Interessiert am weiteren Austausch zu managementorientierten Führungskräftebefragungen und weiteren Instrumenten der unternehmensspezifischen Organisationsforschung (Mitarbeiterbefragungen, Fokusbefragungen, Feedbackinstrumente, Prozess-Monitoring etc.)?

Sprechen Sie uns gerne darauf an: Tanja Höllger – tanja.hoellger@heuteundmorgen.de – Telefon: +49 221 995 005-12. Wir freuen uns auf den vertiefenden Austausch mit Ihnen!

Weitere Blogbeiträge zu zukunftsrelevanten und innovativen Themen – speziell auch zur Organisationsentwicklung – finden Sie regelmäßig auch auf der Themenübersicht unseres Blogs „Plan Z – Zeit für Zukunft“.

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