Kundenorientierung schreibt sich jedes Unternehmen gerne auf die eigene Fahne. Zugleich weiß jeder aus eigener Erfahrung: In der Realität ist es damit oft nicht weit her. Es lohnt für Unternehmen daher, sich einmal ernsthaft und selbstkritisch mit der Frage nach der Beziehung zu den eigenen Kunden zu beschäftigen. Wie ist deren Qualität und Stärke? Und in welche Richtung sollte sich diese zukünftig entwickeln?
Erstaunliches liest man hierzu in einer Studie zur Zukunft des Kundendialogs: „Unternehmen und Kunden kommunizieren auch 2025 miteinander, allerdings sind die Agenten dieser Kommunikation nicht mehr zwangsläufig menschlich. Der Kundendialog wird sich dank fortschreitender Digitalisierung weg von der Kommunikation zwischen Menschen hin zur Interaktion zwischen künstlich intelligenten Systemen entwickeln.“
Inter-Bot-Kommunikation, mit Bots auf Unternehmensseite und Bots auf Kundenseite, sollen also die Zukunft gelingender Kundenbeziehungen bilden. Unternehmen – so die Vorstellung – werden mehr und mehr zu reinen Funktionsautomaten und deren Kunden gleich mit.
Kann dies eine ernsthaft gewollte, anstrebenswerte und erfolgversprechende Zukunft sein? Oder ist dies Ausdruck einer sich zunehmend ausbreitenden Beziehungsstörung zwischen Unternehmen und Kunden? Wohlgemerkt: Es handelt sich im obigen Zitat um Aussagen zur Zukunft des Kundendialogs. Nicht nur zu den Möglichkeiten der Maschine-to-Machine-Kommunikation im Internet der Dinge oder in automatisierten Fabriken. „Zugestanden“ wird immerhin, dass Unternehmen und Kunden 2025 überhaupt noch miteinander kommunizieren…
Wohin soll die Reise gehen?
Fest steht: Die Kundenbeziehungen in digitalen Zeiten ändern sich. Bereits heute unterliegen diese einem erheblichen Erosionsprozess. „Als-ob-Beziehungen“ ersetzen zunehmend echten und lebendigen Kundenkontakt. Nie, so scheint es, waren Unternehmen und Kunden sich ferner als heute (was nebenbei auch für das Verhältnis von Politik und Bürgern und für andere gesellschaftliche Bereiche gilt). Liegt da die Versuchung nicht nahe, die Sperrigkeit der Kundenbeziehungen technologisch zu überwinden? Diese in ihrer gewohnten Weise ganz aufzugeben und zu „maschinisieren“? Oder treiben im Gegenteil nicht solche Tech-World-Phantasien die Krisen der Kundenbeziehungen gänzlich auf die Spitze?
Konsequenzlos bleibt dies nicht: Studien zeigen beispielsweise, dass rein digital vermittelte, zwischenmenschlich nicht anschlussfähige Formen des Kundenkontakts häufig ganz einfach nur zu einem führen: Zum Beziehungsabbruch. Und damit zu verpassten Chancen, zu verlorenem Geschäft!
Auch das ungebremste Sammeln von Daten über die Kunden – auch ohne deren Zustimmung – während gleichzeitig immer seltener miteinander kommuniziert und in Kontakt getreten wird, vertieft die Gräben. Welches Bild vom Kunden steht dahinter? Welches Beziehungsangebot? Nebenbei: „Big“ mögen manche Datensammlungen sein. Smart schon seltener. Sinnvoll für den Aufbau und die Pflege tragfähiger Kundenbeziehungen werden diese bisher kaum genutzt.
Die Kunden schlagen ihrerseits zurück: Machen etwa falsche Angaben über sich, um unbehelligt von aufdringlichen Werbemaßnahmen zu bleiben. Werden untreu, weil sie kein greifbares und signifikantes Gegenüber mehr erkennen können. Lehnen auch ernstgemeinte Gesprächsangebote ab, weil sie nicht noch mehr Zeit investieren wollen, als sie bereits in Warteschleifen oder beim Spam-Löschen verbringen. Wegzappen und Adblocken sind eh schon Volkssport. Misstrauen und Ignorieren mittlerweile eher Regel als Ausnahme. Ist das die Zukunft?
Aktuell geht der Trend unvermindert in Richtung zunehmend distanter und technisierter Beziehungsformen zwischen Unternehmen und Kunden. Ob diese allerdings dauerhaft tragfähig und erfolgreich sein werden, ist völlig offen.
Unternehmen müssen sich entscheiden
Bei allem Drang nach Standardisierung, Digitalisierung, Automatisierung – nicht nur in den Produktionsprozessen, sondern auch in den Beziehungsprozessen! – sollte nicht vergessen werden, dass die Kunden am Ende Menschen bleiben – auch wenn man sie zunehmend in Konstrukte der Vereinfachung und Roboterisierung pressen will. Kunden spüren das und reagieren darauf – jeder weiß das aus seiner täglichen Erfahrung. Warum sollten Kunden noch engere Beziehungen zu Unternehmen aufbauen, wenn diese sich selbst diesen zunehmend verweigern und durch „Robots“ und wenig kompetente „Call-Center“ vertreten lassen? Warum treu bleiben, wenn Treue nicht geschätzt wird? Warum Vertrauen aufbauen zu etwas, das – ähnlich wie in Kafkas „Prozess“ – als Gegenüber unzugänglich erscheint?
Unternehmen müssen sich entscheiden, welchen Weg sie zukünftig in ihren Kundenbeziehungen gehen wollen. Ganz bewusst. Grundhaltungen überprüfen und wo erforderlich anpassen und weiter entwickeln. Zu welchem Ergebnis man dabei kommt, sei jedem selbst überlassen. Für unterschiedliche Branchen und Geschäftsbeziehungen gibt es hier ganz unterschiedliche Ansätze und Lösungen. Es gibt auch nicht den besten oder den falschesten Weg.
Man sollte aber ehrlich zu sich sein, wohin die eigene Reise in den eigenen Kundenbeziehungen gehen soll. Gedankenloses Mitschwimmen im digitalen und technizistischen Neurausch, der manche Beziehungsprobleme im Kundenkontakt nur kaschiert oder sogar zuspitzt, erscheint fahrlässig.
Das Digitale ist ein kommunikatives Instrument, eines unter anderen. Keine Religion.
Kundenbeziehungen gestalten Menschen
Unternehmen, denen aus ihrer Kultur heraus „menschliche“ Beziehungen zu ihren Kunden schon immer tiefer am Herzen lagen – und vor allem diejenigen, die in ihrem Geschäft ganz elementar darauf angewiesen sind – können sich gerade jetzt wichtige Vorsprünge vor dem Wettbewerb sichern – mit einer Haltung kontinuierlicher Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und echter Zuwendung für die Kunden. Hier liegt sehr großes strategisches Potenzial. Lebendige und stabile Kundenbeziehungen zu gestalten, ist primär eben keine Frage der Technik – diese kann zwar Spielräume und Möglichkeiten erweitern, Beziehungen zwischen Menschen aber nicht in gleicher Weise ersetzen. Dass es zukünftig vermehrt Inter-Bot-Kommunikation und auch Machine-to-Machine-Deals in der Businnesswelt geben wird, ist davon völlig unbenommen. Diese als einziges oder gar als ideales Modell für die Zukunft der Kundenbeziehungen zu betrachten, wäre allerdings ebenso fatal wie vermessen.
Vielleicht ist es ja gerade die digitale Zeit – mit ihren vielfältigen Übertreibungen und Überspitzungen – die zu einer Rück-Besinnung auf das führt, was die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden im Kern ausmacht – Menschen. Mit ihren einzigartigen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Wünschen, mit ihrer Beziehungsfähigkeit.
Welchen Platz diese in der eigenen Unternehmens-DNA zukünftig haben werden, welches Menschen- bzw. Kundenbild dabei verfolgt wird, entscheidet jedes Unternehmen für sich selbst. Auch die Frage, ob sich gezielte Investitionen in die Kompetenz und Kreativität der eigenen Mitarbeiter, Kundenbeziehungen aufzubauen und diese erfolgreich zu gestalten, nicht mehr auszahlen können, als nur Investitionen in Hardware, Software und Algorithmen.
Es wäre ein großer Irrglaube zu denken, diese elementaren Aufgaben übernähme künftig die Technik. Letztlich werden die Kunden selbst entscheiden. Es lohnt daher, das eigene Vorstellungshaus öfter mal zu verlassen, nach draußen zu gehen und mit seinen Kunden über die Zukunft zu sprechen.
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