Marken scheinen wie geschaffen für die heutige Welt. Eine
Welt, die als zunehmend unbeständig, unsicher, komplex und vieldeutig
beschrieben wird. Schließlich versprechen Marken den Menschen Orientierung,
Entscheidungshilfen, funktionalen und emotionalen Nutzen, Verantwortung, Sinn.
Gut geführte Marken können daher wie Leuchttürme, Richtungsgeber, Anker im
unübersichtlichen Fahrwasser des Lebens wirken. Nicht einmal der verloren
gegangenen allgemeingültigen Werte und Narrative bedarf es dafür: Wesen und
Stärke von Marken liegen ja gerade darin, sich abzuheben, Position zu beziehen,
möglichst einzigartig und unverwechselbar zu sein. Marken müssen – und können –
eben nicht für alles und für jeden attraktiv und bedeutsam sein.
Dennoch gelingt es vielen Unternehmen in der Praxis nicht,
ihre Markenstrategien erfolgreich umzusetzen. Gerade im digitalen Raum lässt
sich zudem eine signifikante Vernachlässigung von Branding und Markenführung
zugunsten von bloßem Performance-Marketing feststellen.
Es mehren sich sogar Stimmen, die ein generelles Ende der Marken in unserer
schnelllebigen und sich zunehmend digitalisierenden Welt prognostizieren.
Verantwortlich werden dafür beispielsweise die großen digitalen „Gatekeeper“
gemacht, die es Marken zunehmend erschweren, zu den Konsumenten durchzudringen;
zugleich mit eigenen Handelsmarken in Konkurrenz zu etablierten Marken treten
(wobei hier vom Ende der Marken zu sprechen, bereits ein Widerspruch in sich
ist, da die großen Digitalkonzerne längst zu eigenständigen Marken geworden
sind).
Zugleich sinkt die Bereitschaft der Konsumenten, sich längerfristig an
bestimmte Marken zu binden, Markenloyalität erodiert. Vielen Menschen wäre es
schlicht egal, wenn die Mehrzahl aller Marken weltweit verschwinden würde. Gibt
es heute einfach zu viele Marken? Sind Marken zu oft austauschbar, zu weit weg
von den Konsumenten, verfehlen damit ihr eigentliches Ziel? Lassen sich echte Marken
heute zu wenig von Als-ob-Marken bzw. Pseudo-Marken unterscheiden? Verlieren
Marken generell an Vertrauen, Bedeutung, Bindungskraft und Zauber? Oder sind die
Schwächen nicht oft eher hausgemacht?
Fest steht: Marken stehen heute vor großen Herausforderungen in ihrer
Identitäts- und Beziehungsbildung, die sich einer schnelllebigen und digitalen Zeit
und im weltweiten Wettbewerb weiter zuspitzen. Schwächen in der Markenführung
werden schnell bestraft.
Doch wie lassen sich Marken stärken und zukunftsfester
machen? Erinnert sei hier an Grundfragen, die jeden Marketer umtreiben, bzw.
umtreiben sollten: Was macht meine Marke
im Kern aus?
Welche Zielgruppe und welche Verfassungen und Kontexte passen zu dieser? Und:
Wie lässt sich meine Marke adäquat kommunizieren?
Schwächen in der eigenen Markenführung überwinden
Um solche Fragen zu beantworten, bedarf es nicht nur
systematischer Marken-, Zielgruppen- und Kommunikationsanalysen, sondern vor
allem auch deren Integration.
Dies ist in der Praxis jedoch oft nicht der Fall: Imagebatterien zur Messung
des Markenbildes werden beispielsweise einfach ad hoc aus Leitbildern abgeleitet;
Markenanalysen, Kampagnentrackings und Werbemitteltests sind oft nicht gut aufeinander
abgestimmt, Zielgruppen werden oft gar nicht berücksichtigt oder nur über grobe
Parameter erfasst. Markenkernanalysen werden häufig ohne theoretische
Fundierung durchgeführt, bleiben an der Oberfläche, entwickeln keine
Handlungsrelevanz. All dies führt zu Fehlschlüssen, Fehlallokationen von
Ressourcen und Budgets, Schwächungen oder sogar Beschädigungen der Marke.
So werden beispielsweise aufwändige Werbespots produziert,
bei denen sich bei genauerer Analyse herausstellt, dass diese bei
„durchschnittlichen“ Konsumenten bzw. in wenig relevanten Gruppen durchaus
positives Echo finden, nicht jedoch in der eigentlichen Zielgruppe. Oder in der
Kommunikation stehen doch wieder nur Produkteigenschaften im Mittelpunkt,
während die sie tragenden Marken und deren emotionaler Kern wie „aufgeklebt“
erscheinen. Oder Kunden spielen nur anonyme Nebenrollen und wirken wie
Fremdkörper oder als „Masse“.
Oft bleiben Markenprofile und Zielgruppen von vorneherein unscharf und wässrig,
beispielsweise wenn nur oberflächliche Segmentierungskonzepte verwendet werden.
Bekanntermaßen können soziodemographische Zwillinge – also Menschen gleichen
Geschlechts, Alters, Einkommens, Bildungsniveaus etc. – aber völlig
unterschiedliche Markenpräferenzen ausbilden. Auch rein verhaltensorientierte
Zielgruppenbeschreibungen vermögen meist keine klare und richtungsweisende
Verknüpfung von Marke, Zielgruppe und Kommunikation herzustellen; bilden kein
einheitliches Fundament für deren Verständnis und Steuerung. Kurz:
Markenstrategien und Marketingpraxis fallen oft weit auseinander, stehen nicht
selten sogar im Widerspruch zueinander. Markenschwäche ist so fast schon vorprogrammiert.
Motive als Fundament einer integrierten Markensteuerung nutzen
Erfolgversprechender erscheinen Ansätze, die menschliche Grundmotive in den Mittelpunkt der Markenforschung und Markensteuerung stellen. Motive sind universelle, stabile und zugleich dynamisch wirksame, zielgerichtete Antriebssysteme, die unser Handeln und damit auch unsere Kaufentscheidungen bestimmen. Psychologie und Hirnforschung kommen hier zu fast identischen Ergebnissen. Unterschieden werden hier drei für das Verhalten grundlegende Motivationssysteme (Sicherheitssystem, Erregungssystem und Autonomiesystem) bzw. Grundmotive (Balance, Stimulanz und Dominanz). Wünsche nach Kontrolle, Stabilität und Harmonie stehen dabei für das Sicherheitssystem bzw. das Balancemotiv, Streben nach Offenheit und Erlebnis für das Erregungssystem bzw. Stimulanzmotiv und das Streben nach Macht, Durchsetzung und Unabhängigkeit für das Autonomiesystem bzw. Dominanzmotiv.
Die Grundfragen der Markensteuerung lauten auf dieser Basis:
Welche Motive spreche ich als Marke vornehmlich an? (-> Motivbasierte Markenanalyse).
Welche Motivtypen passen zu meiner Marke?
(-> Motivbasierte Zielgruppenanalyse und Auswahl). Wie kann ich meine
Zielgruppe in ihren vorherrschenden Motiven und passend zu meiner Marke
ansprechen? (-> Motivbasierte Zielgruppenansprache und motivtypspezifische
Kommunikationsanalyse).
Je nach Persönlichkeit und Kontext werden die grundlegenden Motive in spezifischer Weise wirksam. Aus dem Mischungsverhältnis der verschiedenen motivationalen Antriebe und deren lebensweltlicher Einordnung lassen sich wiederum spezifische Motivationstypen ableiten (Ehrgeizige, Tolerante, Kontrollierte, Draufgänger etc.). Der große Vorteil liegt darin, dass Motive sich über alle Komponenten und Phasen der Markensteuerung (Markenbildung, Zielgruppendefinition, Zielgruppenansprache) verwenden lassen.
Idealerweise entspricht das Motivprofil der Marke dem Motivschwerpunkt der Zielgruppe und die Zielgruppenansprache repräsentiert die vorherrschenden Motive von Marke und Zielgruppe.
Bspw. repräsentiert die Marke „Porsche“ vor allem das Dominanz-Motiv und spricht den Motivtypus der Ehrgeizigen an, während VW stärker das Balance-Motiv (Stabilität) bedient und die Motivgruppen der Bodenständigen und Kontrollierten anspricht. Auf der anderen Seite lassen sich weitgehend identische Produkte – wie etwa Energy-Drinks – auf Motivbasis und je nach angestrebtem Markenprofil und Zielgruppe entweder stärker am Stimulanz-Motiv (Erlebnis) oder stärker am Dominanz-Motiv (Leistungsfähigkeit) ausrichten und motivspezifisch kommunizieren. Ebenso entscheidend: Unterschiedliche Werbemittel lassen sich auf motivbasierter Basis sehr klar in ihrem jeweiligen Beitrag zur Stärkung des Motivprofils der Marke differenzieren; bei der Testung zugleich nur diejenigen Zielgruppen auswählen, die vom Motivtypus her auch wirklich zur Marke passen.
Kurz: Motivbasierte Markenanalyse, motivbasierte Zielgruppenanalyse und motivbasierte Zielgruppenansprache bilden – zusammen genommen! – eine starke und kohärente Basis für die Markensteuerung. Wendet man diese in der Praxis konsequent an, braucht man sich über die Zukunft der Marke keine große Sorge zu machen.
Wer sich näher zu den Grundlagen motivbasierten Denkens in der Markenforschung und Markensteuerung informieren will, sei an dieser Stelle auf die Forschungsarbeiten von Norbert Bischof und von Hans-Georg Häusel verwiesen. HEUTE UND MORGEN selbst hat mit dem «Brand-Motivation-Circle» zudem ein integriertes motivbasiertes Anwendungskonzept vorgelegt, das vorhandene Schwächen in der aktuellen Markenforschung und Markensteuerung überwindet. Dazu wurden umfangreiche eigene Grundlagenstudien durchgeführt. Kürzlich wurde das Konzept sogar für den Innovationspreis der Deutschen Marktforschung nominiert. Bei Interesse sprechen Sie uns gerne an!
Ausblick
Marken haben, davon sind wir überzeugt, auch und gerade in
der heutigen Welt ihre Daseinsberechtigung und viele neue Chancen. Und sie
machen Spaß.
Es gilt, diese gut zu führen – weniger über neue Herausforderungen zu klagen
oder sich kurzfristigen Moden und Trends anzuschließen. Oder Marken einfach
auszuquetschen und kaputtzusparen – und sich dann zu wundern, dass deren
Strahlkraft und Bindungsstärke sinkt.
Wenn es stimmt, dass Konsumenten wie auch Handel bzw. Vertrieb derzeit den Glauben an die großen Weltmarken verlieren – und stattdessen zu kleineren, liebevoller gepflegten Marken umschwenken – verdient dies hohe Aufmerksamkeit (bisweilen kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass große Konzerne weder ihre Marken noch ihre Konsumenten ausreichend wertschätzen). Der Befund spricht gerade nicht für ein generelles Ende der Marken, sondern weist sehr deutlich auf die Erfordernis eines Mehr an Liebe und Achtsamkeit in der Markenführung hin. Nur darauf – und auf die Kohärenz von Markenstrategie und Marketingpraxis – lässt sich eine erfolgreiche Zukunft der eigenen Marke begründen.
Weiterführender Link:
https://www.research-results.de/fachartikel/2018/ausgabe-5/gleich-und-gleich-gesellt-sich-gern.html
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